Diese Geschichte beginnt mit der Rettung der Schweizer Uhrenindustrie. Und zeigt die Fährnisse von unternehmerischem Wagnis – eine Idee funktioniert (Mini etwa), eine andere (Smart) nicht.

Mit der Gründung der Plastikuhrenmarke Swatch durch Nicolas Hayek im Jahre 1983 war die tödliche Bedrohung durch die Japaner abgewehrt, und siehe da, die Billiguhr und ihr geniales neues Vertriebssystem inklusive zugehörigem Sammlerhype beflügelte wiederum die gesamte teure restliche Zunft im Lande der Eidgenossen.

Doch Hayek dachte weiter. Und größer. Ein Swatch-Mobil, das wäre doch was! Artfremd, freilich, aber für das Konzept eines zweisitzigen Stadtflitzers müsste sich doch ein Partner aus der Autobranche finden lassen. Revolutionär auch das Antriebskonzept. An elektrisch und hybrid dachte der Schweizer. 1993 kurvte er schließlich mit dem Eco Speedster herum, der schon gut den kommenden Smart erahnen ließ, angetrieben von einem 40-kW-Elektromotor.

Bis zur Beinahepleite 2005 entstanden zahlreiche Smart-Türme, das Verkaufskonzept war innovativ, aber ein Flop.
Foto: Smart

Die Verhandlungen mit VW zerschlugen sich, letztlich griff Daimler zu, 1994. Hintergrund: Schon damals zeichnete sich ab, dass Hersteller großer Automobile sich mit strenger werdenden Abgasvorschriften schwertun würden, es musste was deutlich Kleineres her. Und überhaupt schien es ratsam, das Portfolio auszuweiten, Stichwort Mercedes A-Klasse, 1997 (Elch-Test!).

Für zwei

Smart also. Im lothringischen Hambach wurde eine Fabrik errichtet und 1997 eröffnet, 1998 lief die Fortwo-Produktion an – und schon gingen Fotos um die Welt mit dem Smart am Popsch liegend (und die mit Kanzler Helmut Kohl beim Probesitzen). Hayek war da längst schon weg, weil Daimler nichts für E-Antrieb übrighatte. Stattdessen wurden eigens kleine, schluckfreudige Dreizylinder-Verbrennungsmotoren entwickelt und dazu ein sequenzielles Getriebe vulgo Nick- oder Ruck-Automatik.

Es knirschte von Anfang an im Gebälk. 1,2 Personen säßen im Durchschnitt im Auto, hatten Verkehrsexperten errechnet. Richtig, und der schlanke Ansatz hat im Nach hinein ja durchaus seine Meriten, aber die Zeit war noch nicht reif, ist sie im Grunde bis heute nicht, außer im Carsharing-Geschäft.

Dann wurde uns vorgerechnet, dass die Schalttakte nicht länger waren als beim manuellen Gangwechsel, nur sei man da halt beschäftigt, alles Psychologie. Mag sein, lästig war das trotzdem, da nützte auch eine nachgereichte Ruckelverkürzung wenig.

Weiters errichtete man viele dieser bunten Smart-Türme, einen auch bei der Shopping City Süd. Kalkül: Die Leute würden beim üblichen Einkauf schnell auch noch ei nen Smart mitnehmen. Hm. Ist grandios schiefgelaufen. Warum? Doch zu teuer?

Querdenken, querparken

Beim (gescheiterten) raschen Ausbau des Portfolios tauchten auch Crossblade (2002)...
Foto: Smart
...und Roadster (2003) auf.
Foto: Smart

Überhaupt blieb der Absatz weit hinter den Erwartungen zurück (nur die Italiener liebten den Kleinen, mit dem man leger quer einparken konnte), selbst als dann Smart zur kompletten Kleinstwagenmarke ausgebaut wurde: 2000 kam das Cabrio, 2003 folgten Road ster und Roadster Coupé (lustige, an der Lotus Elise orientierte Flitzer), 2004 der gemeinsam mit dem Mitsubishi (gehörte da zu Daimler) Colt entwickelte und bei Nedcar in den Niederlanden gebaute Forfour (womit das Zweisitzerprinzip verlassen wurde); ein SUV stand unmittelbar vor dem Marktstart – und dann, 2005, Vollbremsung, das Desaster ließ sich nicht mehr verbergen, Daimler hatte Milliarden verbrannt.

Heute ist Smart eine E-Automarke – und bald schon "made in China".
Foto: Smart

Zurück an den Start, zurück zum expliziten Fortwo-Angebot, der in zweiter Generation das "2,5 mal 1,5 mal 1,5 Meter"-Maß verließ, 2,7 Meter lang war er nun und teuer wie gehabt. Nächste Station dieser Chronik eines langen Scheiterns: Die dritte Generation sollte mit Renault entwickelt werden, der Forfour wurde das auch, er bekam flotte Renault-Motoren und endlich passende Getriebe, aber warum um alles in der Welt sollte man sich einen teuren Smart kaufen, wenn der praktisch baugleiche Twingo (mit dem Renault seinerseits unglücklich ist) deutlich günstiger ist?

Die nächste Notbremsung legt die junge Marke soeben hin. Einerseits – ein Prosit auf Herrn Hayek – sind die Smarties nur mehr als E-Autos (mit zu geringer Reichweite) erhältlich, andererseits hat Daimler Smart in ein 50:50-Joint-Venture mit Großaktionär Geely eingebracht. Soll heißen: Smart ist bald eine reine China-Marke. Damit ist das Image der schrulligen Kleinstwagenmarke – was ist an der noch deutsch? – endgültig perdu. Paradoxerweise könnte das aber auch die Rettung sein. Sofern die Chinesen die kleinen Stromer, die in Vorbereitung sind, kaufen wie verrückt. Jetzt schlägt’s 13. (Andreas Stockinger, 4.5.2020)