In der Justizanstalt Göllersdorf werden zurechnungsunfähige Patienten untergebracht. Dorthin zurück will ein 65-jähriger Angeklagter nicht mehr – aber gerne in eine andere Einrichtung.

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Wien – Die Geschichte des 65-jährigen Franz O. hätte auch ein Erfolgsbeispiel für die Betreuung psychisch Kranker werden können. Stattdessen endet sie für den Pensionisten mit den Anklagepunkten Sachbeschädigung, versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt und gefährliche Drohung vor Richterin Beatrix Hornich. Worüber er nicht unfroh ist.

O. ist zwar unbescholten, hat aber dennoch Erfahrung mit der Justiz: Über sechs Jahre verbrachte er im Schloss Göllersdorf, einer Justizanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Anfang des neuen Jahrtausends wurde er zunächst bedingt aus dem Maßnahmenvollzug entlassen: Mittels Drei-Monats-Depotspritze konnte seine psychische Erkrankung gut behandelt werden, in der betreuten Einrichtung, in der er wohnte, machte er weitere Fortschritte.

Unter Isolation gelitten

Diese waren so beeindruckend, dass laut psychiatrischem Sachverständigem Peter Hofmann vor rund drei Jahren sogar O.s Erwachsenenbetreuung – früher Besachwaltung genannt – aufgehoben werden und er in eine eigene Wohnung ziehen konnte. Damit begannen aber auch die Probleme, ist Hofmann überzeugt, als er sein Gutachten erstattet. "Er scheint unter der Isolation gelitten zu haben, begann wieder zu trinken und wollte sich am Ende auch keine Spritze mehr geben lassen."

Die Folgen zeigten sich erstmals am 27. Dezember. Der Angeklagte war wegen des Verdachts auf einen Herzanfall von der Rettung abgeholt worden. Im Rettungswagen betonte er zunächst lautstark, dass er dringend auf die Toilette müsse. Als er nach der gewährten Pinkelpause erfuhr, dass er in ein anderes als das zunächst vorgesehene Krankenhaus gebracht werden soll, verlor er völlig die Contenance.

Er beschimpfte die Sanitäter, schnitt sich mit seinem Taschenmesser eine Scheibe von seinem mitgebrachten Brot ab, spuckte die angekauten Reste im Gefährt aus und zündete schließlich die Trage an. Als einer der Sanitäter den Brand löschte, fragte O. ihn nach einer Zigarette.

Angeklagter belastete sich zu Unrecht

Interessant ist, dass alle drei Rettungsmitarbeiter betonen, dass sie nicht bedroht worden seien, während O. das bei seiner polizeilichen Einvernahme so gesagt hatte, worauf auch die Staatsanwaltschaft ihre Anklage stützte. Verteidigerin Barbara Bartlmä hat eine Vermutung, warum ihr Mandant diese Version erzählt hat: "Kann es sein, dass Sie zurück in die Anstalt wollten?", fragt sie den per Video in den Verhandlungssaal zugeschalteten Angeklagten.

Das habe er ihr nämlich bei Besprechungen verraten, verrät wiederum sie Richterin Hornich. Auch Sachverständiger Hofmann weiß davon, ebenso aber von einer Einschränkung: "Er hat gesagt, er will nicht zurück nach Göllersdorf." O. selbst, der während der Verhandlung großteils von seinem Recht auf Schweigen Gebrauch macht, stimmt zu.

Warum er bei der Polizei mehr zugegeben hat, als er eigentlich gemacht hat, beantwortet er aber nicht dezidiert. Aus dem Vernehmungsprotokoll zitiert die Richterin eine andere mögliche Erklärung: "I hob normalerweis großen Respekt vor Uniformen und Amtspersonen", sagte der Angeklagte damals.

Gratiszeitungen angezündet

Festgenommen wurde O. schließlich am 8. Februar. Eine Polizeistreife hatte ihn dabei beobachtet, als er bei einer Straßenbahnhaltestelle Exemplare einer Gratiszeitung in der Entnahmebox anzündete.

Als ein Beamter einen Ausweis sehen wollte, zückte der Angeklagte, der auf der Bank saß, stattdessen wieder sein Taschenmesser und warnte den Polizisten davor, näher zu kommen. Nachdem die Verstärkung samt Diensthund eingetroffen war, warf der Betrunkene das Messer weg und wurde festgenommen. Dem Sachverständigen lieferte der Angeklagte übrigens auch ein Motiv für die Brandstiftung: Er wollte nicht seine Meinung zum Inhalt auf den Punkt bringen, sondern es einfach warm haben.

Psychiater Hofmann kommt in seiner Expertise zum Schluss, dass O. seit Jahrzehnten an einer psychotischen Störung leide, die durch das Absetzen des Medikaments und den Alkoholkonsum wieder voll ausgebrochen sei.

Gute Zukunftsprognose

Hofmann plädiert für eine neuerliche Einweisung in eine Anstalt, jedoch unter anderen Vorzeichen – für ihn sind die Bedingungen des Paragrafen 21 Absatz 2 erfüllt. O. sei zurechnungsfähig, aber gefährlich. Die Zukunftsprognose sei aber nicht schlecht, da er sich in der Untersuchungshaft wieder stabilisiert habe. Und eine gute Nachricht hat der Mediziner für den Angeklagten noch: Wird man nach dieser Bestimmung eingewiesen, komme man nicht nach Göllersdorf.

Hornich entscheidet sich schließlich bei einer Strafandrohung bis zu drei Jahren für zwölf Monate Haft, vier davon unbedingt. Zusätzlich verfügt sie die Einweisung. O. nimmt das Urteil an. Da die Staatsanwältin keine Erklärung abgibt, ist die Entscheidung nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 27.4.2020)