"Feuer am Dach der Kultur", so lautet das Resümee von Moderatorin Claudia Reiterer am Sonntag.

Foto: ORF / Thomas Ramstorfer

Während die Gäste beim deutschen öffentlich-rechtlichen TV – natürlich mit Corona-Abstand – im Studio diskutieren, werden sie beim ORF – aktuell "Im Zentrum" – aus der Ferne zugeschaltet. Im ORF-Studio einsam sitzend, hat Claudia Reiterer Bildschirme anzusprechen und zu fragen, ob es einen "Sommer ohne Reisen und Kultur" geben wird. Der Mensch auf dem Heimsofa profitiert zwar von so einem Setting. Es diszipliniert offenbar, Durcheinanderreden wird den Diskutanten erschwert.

Für einige Gäste ist es allerdings eine harte Übung in Zurückhaltung. Vertreter der Kulturszene sind verständlicherweise emotionalisiert – ob der Unklarheit bezüglich ihrer Zukunft. "Schrecklich, dass wir niemanden hier unterbrechen können!", platzt es aus Helga Rabl-Stadler heraus, die immer noch nicht weiß, was mit den Salzburger Festspielen sein wird. Sie sucht Klarheit: "Wir wollen keine Ausnahme haben", sagte die Präsidentin der Festspiele, "entweder dürfen – unter der Priorität der Gesundheit – alle aufsperren oder niemand."

Kussszenen und Volleyball

Klarheit vonseiten der Politik wird womöglich kommen. An diesem Abend jedoch war sie noch nicht zugegen. Eva Blimlinger, Kunst- und Kultursprecherin der Grünen, erklärte: Über die 20-Quadratmeter-Regel zu reden sei Populismus. Es ginge vielmehr um eine Differenzierung zwischen Freiluft- und Indoor-Veranstaltungen: "Es geht: Freilufttheater und ein Fußballspiel. Nicht geht: Oper drinnen und ein Volleyballmatch", sagte die Grünen-Politikerin. Rabl-Stadler hätte hier vielleicht gerne unterbrochen. Dass eine Kussszene zwischen Tod und Jedermann etwa im Freien möglich wäre, aber Indoor nicht, hätte einer tieferen Erörterung bedurft. Womöglich einer eigenen "Im Zentrum"-Diskussion.

Wie auch immer. Surreal ist die Lage und auch dramatisch in jedem Fall. Besonders für die Freischaffenden, wie Kabarettist Viktor Gernot betonte. Dass er, während er aus seinem Domizil sprach, Einblick in die Privatsphäre gewährte, war übrigens sympathisch. Hinter Gernot kam kurz eine leicht geschürzte Dame die Stufen herab. Da schmunzelte vielleicht auch Philosoph Konrad Paul Liessmann. Ansonsten gab er sich, was Kulturkontakte anbelangt, jedoch eher ernst und reserviert, sprich: Er war sich nicht sicher, ob er sich im Sommer in das Salzburger Festspielgewühl "mit 60- bis 80-Jährigen" hineinbegeben würde. Keine Ahnung, ob Rabl-Stadler auch da gerne widersprochen hätte.

Neos-Kultursprecher Sepp Schellhorn, selbst Salzburger Gastronom, hätte die Präsidentin jedenfalls zugestimmt. Mit dem Zitat "Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten" wandte er sich an die aktuelle Kulturpolitik. Er meinte womöglich auch Werner Kogler, der abgesagt hatte, und auch die abwesende Ulrike Lunacek, die sich von einem Radunfall erholt. Schließlich aber beendete Reiterer die Diskussion mittendrin mit der Feststellung, es wäre Feuer am Dach der Kultur. Hätte ruhig länger dauern können. (Ljubiša Tošić, 27.4.2020)