Der erste Korridorzug soll am 2. Mai Österreich in Richtung Temeswar verlassen. Am 4. Mai soll er von dort zurückkommen. Ob der Zeitplan hält, ist fraglich.

Foto: imago images/Arnulf Hettrich

Wien – Die Debatte um den Transport von in Österreich dringend benötigten 24-Stunden-Pflegerinnen aus Rumänien zeigt nicht nur die Verletzlichkeit dieses Pflegesystems, sondern legt auch Mängel in der Krisenkommunikation der österreichischen Bundesregierung offen. Denn bereits am Donnerstag hatte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) voreilig angekündigt, dass es ab Anfang Mai Sonderzüge für rumänische Pflegerinnen geben wird.

Nur: Rumäniens Transportminister Lucian Bode war laut Eigenangaben nicht in die österreichischen Pläne eingeweiht. Es hat vor Edtstadlers Verkündung kein offizielles Ansuchen von österreichischen Behörden gegeben, sagte er. In Rumänien gilt zumindest bis 15. Mai aufgrund der Corona-Krise noch der Ausnahmezustand.

Edtstadler musste daraufhin einräumen, dass die Gespräche nur auf Expertenebene zwischen der ÖBB und der rumänischen Staatsbahn (CFR Calatori) liefen. Während die ÖBB davon sprach, dass es seit mehreren Wochen Verhandlungen mit der rumänischen und ungarischen Bahn über Korridorzüge gebe und auch konkrete Angebote vorliegen würden, dementierte das CFR Calatori zunächst umgehend. Die rumänische Regierung fühlte sich von Österreich übergangen – und ließ das den EU-Partner auch deutlich spüren.

Keine finale Einigung

Am Montag folgte ein Telefongespräch zwischen Edtstadler und Bode. Eine Einigung gab es noch nicht: Es wurde aber vereinbart, "dass so schnell wie möglich die operativen und rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Korridorzug nach Österreich und retour festgelegt werden", wie es in einer Stellungnahme von Edtstadler hieß. Die Ausreise der 24-Stunden-Pflegerinnen nach Österreich werde "unter Einhaltung aller rechtlichen und gesundheitlichen Vorschriften erfolgen". Beide Länder würden "unter Hochdruck an der Umsetzung dieses Projekts" arbeiten.

Laut der ÖBB soll der erste Sonderzug am 2. Mai Österreich in Richtung Temeswar verlassen. Am 4. Mai soll er von dort zurückkommen, 350 Pflegekräfte sollen maximal Platz finden. Ob der Zeitplan hält, konnte weder im Büro von Edtstadler noch im Büro von Minister Rudolf Anschober (Grüne) bestätigt werden. Realistischer ist eine Verzögerung um einige Tage.

Ohne eine neue Notverordnung oder Ausnahmeregelung ist die Reise von Pflegehelferinnen aus Rumänien nach Österreich nicht möglich. "Denn aufgrund der Allgemeinbeschränkungen während des Notzustands in Rumänien werden im Rahmen des Personenverkehrs die Fahrten so drastisch eingeschränkt, dass gar keine Fahrkarten oder Dauerkarten oder sonstigen Reisedokumente verkauft werden und die Züge bis nach Österreich gar nicht mehr fahren", erklärt die rumänische Rechtsanwältin Christina Stihhi die Rechtslage. "Es wäre aber zu erwarten, dass eine neue Verordnung erlassen wird oder eine Ausnahmeregelung in eine der bestehenden Verordnungen geschaffen wird."

Derzeit gibt es nur eine Ausnahmeregelung für Charterflüge. Aber diese gilt nicht für Eisenbahnen, auch organisierte Busreisen sind ganz untersagt. Zuständig für Ausnahmeregelungen oder neue Notverordnungen ist der rumänische Innenminister Marcel Vela, weil er die Notstaatskommission leitet.

Alex Todericiu vom Verein "PflegeHelp" in Österreich verweist zudem darauf, dass versicherungsrechtliche Fragen geklärt werden müssten, etwa während der Reise mit dem Zug nach Österreich und danach, wenn die Pflegerinnen in Österreich arbeiten. Denn weil sie als "Unternehmerinnen" gelten, können sie auch haftbar gemacht werden, wenn etwa eine Krankheit übertragen wird.

Auch Wien zahlt 500-Euro-Bonus aus

Mehr als die Hälfte der knapp 70.000 24-Stunden-Betreuerinnen, die in Österreich tätig sind und dieses Teilsystem der Pflege aufrechterhalten, kommen aus Rumänien. Pflegerinnen, die ihren Turnus in Österreich freiwillig um vier Wochen verlängerten und nicht zu ihren Familien nach Hause fuhren, sollen einen Bonus in Höhe von 500 Euro erhalten. Seit Montag kann diese Prämie nun auch in Wien beantragt werden, wie Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sagte. Abgewickelt wird das Prozedere über die Wirtschaftskammer.

In Wien selbst sind nur rund 5000 24-Stunden-Pflegekräfte tätig. Der Großteil der Pflegebedürftigen wird über mobile und stationäre Pflege betreut. Um den Mehrbedarf abzudecken, wurden laut Hacker auch "ein paar Dutzend" 24-Stunden-Pflegekräfte vom Fonds Soziales Wien (FSW) übernommen. Bei den Grenzschließungen aufgrund von Corona habe die Bundesregierung die 24-Stunden-Betreuerinnen sowie die Auswirkungen auf das Pflegesystem jedenfalls nicht ausreichend mitbedacht, kritisierte Hacker. Die Rechnung bekomme man jetzt präsentiert. (David Krutzler, Adelheid Wölfl, 27.4.2020)