FPÖ-Chef Herbert Kickl sammelt Unterschriften gegen den "Corona-Wahnsinn"

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Fast im Stundentakt wurde die Regierung am Montag verbal abgewatscht: Die drei Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos begnügten sich nicht mit je einer Pressekonferenz, auch empörte Aussendungen rauschten den ganzen Tag durch den Äther. Ein Republiksjubiläum also, das vor allem von Streit geprägt war.

"Wir müssen um das Ziel Freiheit kämpfen", warnte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger mit Blick auf die vergangenen 75 Jahre – und die vergangenen Wochen. Denn nun habe man "mehr oder weniger freiwillig Freiheiten befristet eingeschränkt". Aber im Gegenzug erwarten sich die Neos von der Regierung "Transparenz und Rechenschaft" statt einer Tendenz zur Illiberalität und zum Autoritarismus.

In dieselbe Kerbe schlugen auch SPÖ-Vize Jörg Leichtfried und FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. "Wir brauchen Transparenz, Klarheit und Rechtssicherheit", sagte Leichtfried, der Shakespeare auspackte, um den Ernst der Lage zu skizzieren. "Es ist etwas faul in der Corona-Krisenbekämpfung", warnte er frei nach Hamlet. Wichtig sei "eine neue Solidarität, um erfolgreich aus der Krise zu kommen", erklärte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

Besondere Sorgen bereitet der Opposition neben dem Epidemiegesetz (siehe Seite 4) die hohe Arbeitslosigkeit in Österreich. Über 1,6 Millionen Bürger sind gekündigt oder in Kurzarbeit geschickt worden. "43 Prozent der Österreicher befürchten, mit weniger Einkommen als früher auskommen zu müssen – das ist dramatisch", warnte Meinl-Reisinger. "Wie sollen die Betroffenen dieselben Zahlungen wie zuvor schaffen?", fragte Leichtfried schon zwei Stunden zuvor.

Die sozialdemokratische Antwort darauf: Das Arbeitslosengeld müsse erhöht werden, außerdem ein "Fahrplan Richtung Vollbeschäftigung" ausgearbeitet werden. Die pinke, wirtschaftsliberale Antwort: rine rasche Auszahlung von Kurzarbeitshilfen sowie die Möglichkeit, Gewinnminderungen von 2020 in der schon geleisteten Steuerschuld 2019 abschreiben zu können, diese also "neu aufwickeln zu können". Die blaue: eine Initiative namens "Stoppt den Corona-Wahnsinn – jetzt reicht’s" und die Forderung nach dem vollständigen Hochfahren von Geschäften, Veranstaltungen und Tourismus.

"Die Wut verstehe ich"

Emotional wurde Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn, als es um den Umgang der Regierung mit kleineren Unternehmen ging. Er halte das "Geschwurbel" von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) nicht mehr aus, beschwerte sich Schellhorn. In der Regierung säßen Leute, die "nichts vom Unternehmertum verstehen". Ein Indiz dafür sei laut Neos, dass die Regierung anfangs nur vier Milliarden Euro für die Corona-Hilfe vorgesehen hatte. "Die Wut der Unternehmen verstehe ich, das sind dann meine emotionalen Ausbrüche, wenn ich für sie spreche", reflektierte Schellhorn.

Die Schlagzahl der emotionalen Ausbrüche nimmt auch im Hintergrund zu. So soll es vergangene Woche im Sozialausschuss mit Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) zum Eklat gekommen sein. Der Neos-Abgeordnete Gerald Loacker zählte dem Vernehmen nach die drei heimischen Kanzler auf, die es auf das Titelblatt des Time Magazine geschafft haben: Engelbert Dollfuß, Kurt Schuschnigg und Sebastian Kurz. Zuvor sah die Opposition ihr Fragerecht durch die ÖVP infrage gestellt. Das bestreiten die Türkisen. Die beklagen sich über Angriffe gegen die Ministerin. Die ÖVP urgierte einen Ordnungsruf gegen Loacker. Den gab es aber nicht, weil dieser die Namen aufzählte und keinen Vergleich anstellte.

Der Umgang wird ruppiger

Der Vorfall zeigt aber, dass die Diskrepanzen zwischen Regierung und Opposition größer werden – und der Umgang damit emotionaler. So dürfte die türkis-grüne Regierung im Umgang mit der Opposition schon viel Porzellan zerschlagen haben.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass die Briefings durch Minister Pressekonferenzen gleichen, ein Teilnehmer sprach sogar davon, dass eine Runde "wie eine Fragestunde für Fans auf Facebook" gewirkt habe. Kritik äußerte die FPÖ am angeblichen Gleichklang der öffentlichen und veröffentlichten Meinung. Die ÖVP erzeuge ein Klima der Angst, um sich als Erlöser zu inszenieren, so Kickl. Er will einen Corona-U-Ausschuss und verweist auf ein Wort, das für ihn unfassbar viel Freiheit bedeutet: "Nein". (Fabian Schmid, Jan Michael Marchart)