Sechs Aktivisten für die Unabhängigkeit Westpapuas sind in Indonesiens Hauptstadt Jakarta wegen Hochverrats zu monatelangen Haftstrafen verurteilt worden.

Im vergangenen Jahr hatten die Angeklagten Paulus Suryanta Ginting, Charles Kossay, Deno Tabuni, Isay Wenda, Ambrosius Mulait und Arina Elopere am 28. August an einer friedlichen Kundgebung vor dem Präsidentenpalast in Jakarta teilgenommen. Damals war es nach rassistischen Übergiffen auf Papuaner zu Ausschreitungen in den indonesischen Provinzen Westpapua und Papua auf der Insel Neuguinea gekommen. Dutzende Menschen wurden seither unter dem Vorwurf des Hochverrats verhaftet und warteten auf ihre Urteile.

Die Angeklagten waren bei der Urteilsverkündung am Freitagnachmittag wegen der Maßnahmen gegen die Corona-Epidemie nicht im Gerichtssaal anwesend, sondern per Video zugeschaltet. Sie wurden für schuldig befunden, gegen die Artikel 106 und 110 des indonesischen Strafgesetzbuches verstoßen zu haben.

Die Angeklagten nahmen an der Urteilsverkündung nur per Videoschaltung teil.
Foto: EPA/Irham

"Alle Angeklagten werden für schuldig befunden, gemeinsam Hochverrat begangen zu haben", sagte der vorsitzende Richter Agustinus Setya Wahyu Triwiranto bei der Verlesung des Urteils.

Artikel 106 lautet: "Der Versuch, das Hoheitsgebiet des Staates ganz oder teilweise unter ausländische Herrschaft zu bringen oder einen Teil davon abzutrennen, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer Freiheitsstrafe von maximal zwanzig Jahren bestraft." Im Artikel 110 wird das Strafmaß für die Beteiligung an einer "Verschwörung" zu Verbrechen der vorangehenden Paragrafen geregelt.

Die sechs Angeklaten wurden zu neun respektive acht Monaten Haft verurteilt.
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Mehrmonatige Haftstrafen

Fünf der Aktivisten wurden zu jeweils neun Monaten und lediglich Isay Wenda zu acht Monaten Haft verurteilt. Die Urteile liegen damit unter den von der Anklage geforderten jeweils 17 Monaten für fünf der Angeklagten respektive zehn Monaten für Wenda.

Paulus Suryanta Ginting ist der erste nichtpapuanische Indonesier, der wegen des Eintretens für Westpapuas Unabhängigkeit unter dem indonesischen Hochverratsparagrafen verurteilt wurde. Er ist der Sprecher der "Front Rakyat Indonesia untuk West-Papua" ("Indonesische Volksfront für West-Papua").

Arina Elopere, die einzige Frau unter den Angeklagten, wurde schuldig gesprochen, die Morgensternflagge geschwenkt zu haben und ein Lied mit dem Text "Wir sind nicht rot und weiß" gesungen zu haben. Rot-Weiß ist die Flagge Indonesiens, die verbotene Morgensternflagge Westpapuas zeigt einen weißen Stern auf rotem Grund und blaue und weiße Streifen. Deno Tabuni wurde verurteilt, weil er in einer Rede ein Unabhängigkeitreferendum in Papua forderte. Die übrigen wurden wegen der Teilnahme an der Kundgebung und des Aufrufs zu Westpapuas Unabhängigkeit schuldig gesprochen.

Die Anwälte waren im Gerichtssaal mit Masken anwesend.
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Freilassung verlangt

Usman Hamid, Direktor des indonesischen Ablegers von Amnesty International, forderte die sofortige Freilassung der Gefangenen. Die sechs Verurteilten hätten nichts weiter getan, als an einem friedlichen Protest teilgenommen und ihre Rechte zur Rede- und Versammlungsfreiheit wahrgenommen. Dies seien Rechte, die sowohl durch internationale Gesetze als auch die indonesische Verfassung garantiert würden, sagte Hamid. "Es ist höchste Zeit, dass Indonesien damit aufhört, Papuaner mit Hochverratsvorwürfen zu kriminalisieren."

Anfang April hatte die Hohe Kommissarin für Meschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, die Regierungen dazu aufgerufen, Polithäftlinge aus den überfüllten Haftanstalten freizulassen, um der Verbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken. Das von der Pandemie schwer getroffene Indonesien hatte zwar 30.000 wegen geringer Delikte Verurteilte aus der Haft entlassen, für politische Gefangene galt die Amnestie jedoch nicht.

Zuletzt hatten die Menchenrechtanwältinnen Jennifer Robinson und Veronica Koman gemeinsam mit der Menschenrechtsorgnisation Tapol an die Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen (Working Group on Arbitrary Detention, WGAD) des UN-Menschenrechtsrates appelliert, sich für die politischen Gefangenen in Indonesien einzusetzen. (Michael Vosatka, 28.4.2020)