Demonstration eines 360-Grad-Videos.
Foto: Christian Dusek

Die Corona-Krise hat der Fernlehre zu einer ungeahnten Konjunktur verholfen. Doch gibt es Bildungsinstitutionen, die sich von jeher auf die Online-Lehre spezialisiert haben. So arbeitet etwa die Ferdinand Porsche FernFH in Wiener Neustadt an der Weiterentwicklung der digital vermittelten Bildung.

Hier konzentrieren sich Barbara Wimmer, die die Abteilung E-Learning & Web-Support Center leitet, und ihr Team derzeit in einem vom Land Niederösterreich geförderten Projekt auf die Nutzung von Virtual Reality und Augmented Reality für die Fernlehre. Die Technologien sollen Studierenden helfen, in Inhalte einzutauchen und sie somit besser erfassen zu können. Besonders 360-Grad-Videos – Aufnahmen, die eine Rundumsicht einer Szene wiedergeben – stehen im Zentrum des Interesses.

Erste 360-Grad-Videos sind an der FH bereits im Einsatz. Eines davon, das Kommunikationstheorien anhand tatsächlicher Gesprächssituationen veranschaulicht, wurde bereits beim Hochschulforum Digitalisierung in Berlin prämiert. Die Kamera ist hier zwischen den beiden Gesprächspartnern positioniert. Der Betrachter kann sich den jeweiligen Sprechern zuwenden. Erklärungen erfolgen mittels Einblendungen von Text oder einer Videobox, in der die Lehrperson die Situation erläutert.

Qualitative Sozialforschung

Die Ansätze werden nun weiterentwickelt. "In einem Teilprojekt wollen wir zur Praxis der Sozialforschung hinführen", gibt Wimmer ein Beispiel. Die Studierenden stehen bei ihren Arbeiten vor der Herausforderung, erstmals qualitative Methoden wie Interviews oder Fokusgruppen anwenden zu müssen.

"Hier kann man zum einen etwa veranschaulichen, wie man einen Raum für Interviews vorbereitet, sodass sich die Teilnehmer wohlfühlen und die Tonaufnahmen gut werden", sagt Wimmer. "Zum anderen können die Interviewsituationen selbst erlebbar gemacht werden." Studierende können die Position verschiedener Gesprächspartner einnehmen und werden auf typische Problemsituationen aufmerksam gemacht.

Screenshot eines 360-Grad-Projektes in Adobe After Effects.
Foto: Ferdinand Porsche FernFH

Wichtig für Wimmer ist die Frage, wie das Medium erzählerisch genutzt werden kann: "Bei 360-Grad-Videos gibt man die Kontrolle über den Blick des Zusehers auf, der sich nun in der Szene frei umsehen kann. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob es Leitsysteme braucht, die Hinweise auf interessante Blickwinkel geben." Damit für den Konsum der Videos kein teures Equipment notwendig wird, nutzen die Entwickler browserbasierte Technologien und Cardboard-Halterungen, die Smartphones einfach zu 3D-Brillen umfunktionieren.

Sinnvoll sind die Videos dort, wo der Blick eines anderen eingenommen, wo Empathie vermittelt werden soll. Aber auch bei der Visualisierung komplexer Systeme sei die Technik nützlich, die aber nie Selbstzweck, sondern Teil eines durchdachten Medienmix sein soll. Wimmer: "Man muss sich gut überlegen, wo die Technologien tatsächlich Mehrwert bringen." (Alois Pumhösel, 7.5.2020)