Die Biologin Rosanna Mangione trainiert seit einem Jahr die hauseigenen Komodowaran-Männchen namens Chaos, Gozilla und Hurricane.
Foto: Haus des Meeres / Guenther Hulla

Eigentlich hätte der neue Zubau am Wiener Haus des Meeres zu Ostern eröffnet werden sollen, doch wie so vielen anderen Vorhaben machte das Coronavirus auch diesem einen Strich durch die Rechnung. Sowohl die Baustelle als auch das Haus des Meeres selbst bleiben vorerst geschlossen, womit sich auch die Übersiedlung diverser Tierarten in ihre neuen Aquarien und Terrarien verschiebt.

Zu den prominentesten Bewohnern zählen drei Komodowarane, die derzeit noch im ersten Stock untergebracht sind, im Zubau jedoch eine große neue Anlage im neunten Stock beziehen werden. Den Weg dorthin sollen sie unter Aufsicht, aber selbstständig zurücklegen.

Tatsächlich gingen die für das Trainingsprogramm zuständige Tierpflegerin und Biologin Rosanna Mangione und ihr Kollege Günther Hulla seit einem Jahr mehrmals pro Woche mit jeweils einem Waran im ersten Stock des Hauses spazieren – vor der Corona-Krise immer außerhalb der Öffnungszeiten.

Die Tiere tragen dabei ein Brustgeschirr, wie man es in jedem Zoogeschäft für Hunde kaufen kann, und die dazugehörige Leine. Das mag auf den ersten Blick wie ein "Kunststück" aussehen, das den Reptilien hier beigebracht wird, dient aber in Wirklichkeit ausschließlich deren Gesundheit und Wohlbefinden. "Wir sind uns jederzeit völlig bewusst, dass Warane keine Hunde oder sonst welche Haustiere sind", betont Mangione.

Lernen mit Farbe und Form

Das Haus des Meeres ist aber in einem ehemaligen Flakturm untergebracht; entsprechend eng und verwinkelt sind seine Gänge. "Unsere Warane sind mittlerweile zwei Meter lang und 16 Kilo schwer", erläutert Mangione, "das heißt, wir müssten sie nicht nur in entsprechend große Transportboxen bugsieren, sondern diese wären dann auch noch sehr schwierig zu manövrieren." Außerdem sind Komodowarane sehr intelligent: "Sie würden uns das Einfangen sicher lange übelnehmen", ist Mangione überzeugt.

Dieselbe Intelligenz machte Mangione jedoch auch zuversichtlich, dass die Warane das Übersiedlungsproblem quasi selbst lösen könnten. Dazu lernten sie zuerst, eine bestimmte Farbe, eine bestimmte Form und ihren Namen auf sich selbst zu beziehen. Die drei Männchen namens Chaos, Godzilla und Hurricane leben seit ihrer Übersiedelung aus dem Prager Zoo vor drei Jahren im Haus des Meeres zusammen und sollen auch weiterhin eine sogenannte Bachelor-Gruppe bilden.

"Es gibt schon immer wieder Rangeleien", räumt Mangione ein, "aber bis jetzt geht das gut. In der neuen Anlage können wir sie bei kleinen Auseinandersetzungen auch temporär trennen." Gemeinsam mit Weibchen lassen sich Komodowaran-Männchen übrigens aufgrund der resultierenden Machtkämpfe nicht halten.

Kommen auf Zuruf

Die Gefährlichkeit der "letzten Drachen" ist vielfach dokumentiert. In vielen Zoos werden die Warane völlig ohne direkten Kontakt zum Menschen gehalten, das heißt, alle nötigen Aktionen wie etwa Untersuchungen werden durch ein Gitter oder eine andere Barriere hindurch gemacht. Ein solches Tier an der Leine zu führen wirkt verwegen, selbst wenn es den entsprechenden Menschen von klein auf kennt.

Was nach einem gemütlichen Spaziergang aussieht, ist nur durch langes Training und viel Geduld möglich.
Foto: HAUS DES MEERES/GUENTHER HULLA

"Prinzipiell gibt es zwei Verhaltensmodi bei den Waranen", sagt Mangione, "das ist Fressen einerseits und die Interaktion mit uns Menschen andererseits." Aus diesem Grund werden die Warane ohne persönlichen Kontakt gefüttert. Auch die kognitiven Aufgaben und das Geschirranlegen haben sie nur ganz am Anfang, als sie noch klein waren, mittels eines Leckerbissens gelernt – jetzt sind die Belohnungen nur noch die Interaktionen mit den vertrauten Menschen, und dazu gehören auch die Spaziergänge.

Und die laufen so ab: Mangione oder Günther Hulla betreten die Waran-Anlage mit einem der Brustgeschirre und rufen den entsprechenden Namen. Dann kommt der Richtige, setzt sich hin und lässt sich das Geschirr anlegen. "Sie lieben das Spazierengehen", sagt Mangione, "aber natürlich geht das nur auf freiwilliger Basis. Wenn sie einmal nicht wollen, gehen sie eben nicht."

Nur begrenzt zahm

Eine weitere Interaktion ist noch verblüffender: Die Warane setzen sich vor Mangione oder ihrem Kollegen in Position, schließen die Augen und heben den Kopf, um sich am Hals kratzen zu lassen. Das sieht natürlich nach zahmem Verhalten aus, funktioniert aber nur, solange sie nicht in den Fressmodus fallen, was in diesem Zusammenhang aber noch nie passiert ist.

Nach der Übersiedlung soll Schluss sein mit den Spaziergängen, die dann ja ihren Zweck erfüllt haben. Stattdessen schweben Mangione verschiedene kognitive Versuche mit den klugen Reptilien vor. Sie hat auf dem Gebiet schon Erfahrung: zum Beispiel mit den deutlich einfacher gebauten Sunda-Gavialen, eine südostasiatische Krokodilart, von der ein Paar im Haus des Meeres lebt.


Komodowaran-Training im Haus des Meeres.
Haus des Meeres Aqua Terra Zoo

Die junge Biologin hat ihnen unter anderem beigebracht, auf ihre Namen – Adam und Eva – zu hören, und hat Adam dazu erzogen, seiner Partnerin nicht all das Futter wegzufressen, indem er auf das Kommando "Warte!" hört.

Außerdem ist Mangione seit kurzem Teil eines französischen Wissenschaftsteams, das sich in Französisch-Guayana mit den vier dort heimischen Kaimanarten befasst. Dabei müssen die Tiere auch gefangen werden – ein Unternehmen, auf das Mangione spezialisiert ist. "Warane sind ganz anders, weil sie viel intelligenter sind", erzählt sie, "aber der Umgang mit beiden Arten ist insofern ähnlich, als beide sehr gefährliche Tiere sind."

Wer Mangione und den Waranen beim Spazierengehen zuschauen möchte, kann das auf der Website des Haus des Meeres tun, wo außerdem Livebilder aus dem Haifischbecken zu sehen sind. (Susanne Strnadl, 2.5.2020)