Putin bekommt neuerdings viele schlechte Nachrichten.

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Jewgeni Frolow, Torhüter beim russischen Erstligisten Krylja Samara, muss eine heftige Geldstrafe befürchten. Der 32-Jährige hatte in einem Interview mit dem Fußballkommentator Sergej Jegorow abgeledert – und zwar gegen Russlands Präsident Wladimir Putin. Frolow warf dem Krem-Chef "leere Versprechungen" und mangelnde Führung vor. Die von Putin in der Corona-Krise zugesagte Stundung von Krediten existiere nur auf dem Papier beziehungsweise in den TV-Nachrichten, aber nicht in Wirklichkeit, so der Keeper. Zugleich kritisierte er die restriktiven Überwachungsmaßnahmen und die neuen Vollmachten der Polizei, alles und jeden zu kontrollieren.

Die Klubführung beeilte sich, dem Spieler zu widersprechen. Dieser gebe nicht die Meinung des Vereins wieder, der sehr dankbar für die von der Obrigkeit erhaltene Hilfe sei, teilte der Pressedienst mit und versprach zugleich, Frolow wegen seines vereinsschädigenden Interviews zu bestrafen.

Nur Küchengespräche

Doch der Torhüter ist mit seiner Meinung mitnichten allein. Zuspruch erhielt er selbst aus den Reihen der Duma, die sonst kein Ort für Debatten in Russland ist. So erklärte der Abgeordnete der populistischen LDPR, Igor Lebedjew (Sohn von Parteiführer Wladimir Schirinowski), Frolow habe nur ausgesprochen, "was die Leute am Küchentisch auch sagen".

Tatsächlich scheint die Zufriedenheit der Russen mit ihrem "nationalen Leader", der Anfang des Jahres eine Verfassungsänderung angestoßen hat, um über das Ende seiner derzeitigen Amtsperiode hinaus regieren zu können, abzunehmen. So zeigt eine Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstitut WZIOM vom März einen Tiefstand beim Vertrauen in den Präsidenten. Auf die Frage, welchem Politiker sie die Lösung wichtiger staatlicher Probleme anvertrauen würden, antworteten lediglich 28,3 Prozent mit dem Namen Putin. Seit Einführung dieser Umfrage im Jahr 2006 ist das der niedrigste Wert überhaupt.

Putins Rating fällt auf Rekordtief

Schon im vergangenen Jahr gab es bei WZIOM einen Skandal um die Umfragewerte. Im Mai 2019 war Putins Rating in dieser Frage auf 30,5 Prozent abgesackt, woraufhin das kremlnahe Institut eilig noch eine neue Umfrage einführte. Und siehe da: Mit veränderter Fragestellung wurden auch die Umfragewerte Putins schlagartig besser. Denn auf die direkte Frage "Vertrauen Sie Wladimir Wladimirowitsch Putin?" nickt die Mehrheit der Befragten (69,8 Prozent) nach wie vor eifrig mit dem Kopf.

WZIOM-Chef Waleri Fjodorow erklärt die Unterschiede mit "Gedächtnis und medialer Aktivität". Mit anderen Worten, der Soziologe schiebt das niedrige Rating Putins bei der ersten Umfrage auf die Vergesslichkeit der Befragten und darauf, dass Putins Tätigkeit medial zu wenig beleuchtet werde.

Zumindest bezüglich des zweiten Punkts gibt es berechtigte Zweifel. Denn im Gegensatz zu Donald Trump hat Putin auf nationaler Ebene kein Problem mit den "Mainstream"-Medien, die unter Kontrolle entweder des Staates oder kremlnaher Oligarchen stehen. Laut Medienforschern führte Putin so 2019 – wie auch in den Jahren zuvor – mit 3,2 Millionen Zitierungen unangefochten die Liste der Medienberichte in Russland an. Die Nummer zwei, Dmitri Medwedew, kam auf 666.000 Nennungen, Putins Sprecher Dmitri Peskow belegt mit über 300.000 Zitaten immerhin noch Rang drei.

Allerdings kennen Soziologen noch zwei Antwortphänomene, die den gravierenden Unterschied in den zwei Umfragen erklären können: die Tendenz, dass Menschen grundsätzlich Fragen eher mit Ja antworten, und die sogenannte "soziale Erwünschtheit", in der Befragte die Antwort geben, die ihrer Meinung nach der Interviewer gern hören will. (André Ballin, 29.4.2020)