So rot schimmerte der oberste Türkise noch nie: Bei seiner Rede am Montag brachte der an sich mit einer Allergie gegen Sozialdemokraten ausgestattete Kanzler einen Hauch Kapitalismuskritik an. Jene Bürger, die die Gesellschaft am Laufen hielten, sagte Sebastian Kurz, bekämen nicht immer "den größten Bonus" ausbezahlt – und genau die sollten künftig mehr Geld zum Leben haben.

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Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Offenbar schwebt Kurz vor, geplante Steuersenkungen für die breite Masse zu beschleunigen. Das ist aber nur dann vielversprechend, wenn es einen schlüssigen Plan gibt, wie sich der Staat dies trotz Krisenkosten leisten kann. Die Schulden lassen sich nicht ins Unendliche steigern.

Eine von Kurz’ Lieblingsantworten taugt nur begrenzt. Das "Sparen im System" droht unter anderem jene zu treffen, denen der Regierungschef schmeichelt. Der Staat ist Arbeitgeber von Krankenschwestern, Polizisten und vielen anderen "Systemerhaltern" – für sie ist eine per Sparkurs finanzierte Steuersenkung ein schlechter Deal, wenn die Folge bescheidene Gehälter und Arbeitsbedingungen sind. Schon jetzt herrscht auch deshalb ein Mangel an Pflegekräften, weil die öffentliche Hand so schlecht zahlt.

Inkompatibel ist Kurz’ Ansage vor diesem Hintergrund mit Teil zwei seiner Steuerpläne. Die auf Großunternehmen gemünzte Senkung der Körperschaftssteuer, der Widerstand gegen Vermögensteuern: Davon profitieren jene, die schon jetzt "den größten Bonus" ausbezahlt bekommen. (Gerald John, 28.4.2020)