Im Mai sollen die drastischen Corona-Maßnahmen teilweise gelockert werden. Der Verfassungsgerichtshof wird noch eine gewisse Zeit mit den Regelungen der vergangenen eineinhalb Monate zu tun haben.

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"Bei allem Verständnis für den Zeitdruck, unter dem die Regierung steht. Aber über Rechtsnormen darf sie sich nicht hinwegsetzen": Gerald Zimmermann, Chef der Schuhhandelskette CCC, bereitet dieser Tage eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) vor. Sein internationaler Konzern betreibt 49 Filialen in Österreich. Sie alle sind im Zuge der Corona-Krise bis Anfang Mai behördlich geschlossen.

Rivale Deichmann hält bereits offen. Was die beiden voneinander unterscheidet, sind nur wenige Quadratmeter Verkaufsfläche. Exakt 400 Quadratmeter legte die Politik als Maßstab fest: Händler, die kleiner sind, durften Mitte April aufsperren, größere bis auf wenige Ausnahmen nicht. Viele Filialen der CCC messen 430 Quadratmeter. Diese mit Absperrungen zu verkleinern wurde verboten.

"Schreibtischtäter" hätten eine willkürliche Regelung getroffen, die weder wirtschaftlich noch gesundheitlich begründet sei, sagt Zimmermann. "Wir hätten alle Sicherheitsbestimmungen einhalten können." Ende April laufe die Frist, innerhalb der dagegen juristisch vorgegangen werden kann, ab. Im Falle einer Abweisung will Zimmermann zivilrechtlich klagen, sagt er dem STANDARD. "Ich muss Sorge tragen, dass wir keinen wirtschaftlichen Schaden nehmen, und werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen." CCC ist damit in guter Gesellschaft.

Kritik bis zum Sterbebett

Etwa 30 Beschwerden gingen beim VfGH gegen die Corona-Maßnahmen ein, die zum Teil im Mai gelockert werden sollen. Unter anderem wurden Anträge gegen die Verordnung gestellt, die seit Mitte März die Ausgangsbeschränkungen regelt. Eine dieser Beschwerden brachte der Wiener Rechtsanwalt Michael Brunner ein. Er will, dass die Verordnung vom VfGH als gesetzes- und verfassungswidrig aufgehoben wird, weil unter anderem das Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt worden sei. Das begründet Brunner damit, dass alle Menschen angehalten wurden, sich zu isolieren, nicht nur die, die positiv auf das Virus getestet wurden.

Im Antrag werden viele Punkte kritisiert. Darunter, dass die Regierung per Corona-Maßnahmengesetz nur das Betreten von "bestimmten Orten" untersagen kann und nicht von allen öffentlichen.

Darüber hinaus sei die Verordnung laut Brunner in Teilen zu schwammig formuliert, um eine Strafe absehen zu können. So darf man zwar hinaus, um die "notwendigen Grundbedürfnisse" zu decken. Diese werden aber nicht klar definiert. Das habe dazu geführt, dass eine Person 140 Euro Strafe zahlen musste, weil sie nur Wein eingekauft hatte. Auch heiße es in der Verordnung, dass man allein, mit Menschen aus dem gleichen Haushalt oder mit Tieren ins Freie darf. Im gleichen Satz wird aber erklärt, dass "gegenüber anderen Personen" ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten ist. Laut Brunner geht nicht hervor, ob das auch Bekannte oder Freunde sein können.

Die Kritik Brunners reicht bis zum Sterbebett. Seiner Ansicht nach ist es bisher wegen des Betretungsverbots für Sterbende nicht möglich, vor ihrem Tod mit einem Religionsvertreter zu sprechen, wenn sie das wollen. (Verena Kainrath, Jan Michael Marchart, 28.4.2020)