Wenn man mit Hunden spielen will, muss man versuchen, ihre Sprache zu verstehen: Willem Dafoe konnte von Diesels "Schauspiel" profitieren.

Coronavirus hin oder her, 1925 an Diphtherie zu erkranken war auch kein Honigschlecken. Zumal wenn man sich in Alaska befand, fast tausend Kilometer von ärztlicher Versorgung entfernt. Ein historisch verbürgtes Rennen, um den Impfstoff rechtzeitig zu den Erkrankten zu bringen, steht im Mittelpunkt von Togo, einem exklusiv für Disney+ produzierten Abenteuerdrama in Jack-London-Manier. US-Star Willem Dafoe spielt den Schlittenfahrer Leonhard Seppala, der mit seinem Leithund Togo die Herausforderung des Trips durch Sturm und Eis annimmt.

STANDARD: In "Togo" spielen Sie einen Helden, den wir momentan brauchen könnten. Wie verbringen Sie gerade diese schwierige Zeit?

Dafoe: Ich befinde mich in Quarantäne, koche viel und schaue mir viele Filme an – so wie viele andere. Und ich unterhalte mich über Skype mit Freunden. Dazu kommt eine Sorge und wachsende Angst über die politischen Entwicklungen, vor allem in meiner eigentlichen Heimat, den USA – die Unvernunft im Umgang mit dem Virus übertrifft meine Befürchtungen. Ich bin natürlich auch in Kontakt mit Leuten in New York. Und wie andere auch grüble ich darüber, wie es danach weitergehen wird. Ich bin ja nicht gewohnt, dass viele meiner Projekte gerade so stillstehen.

Walt Disney Studios

STANDARD: Teilen Sie die Befürchtung, das Virus werde die Filmwelt grundlegend verändern, wie das unlängst von Regisseur Paul Schrader geäußert wurde?

Dafoe: Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber ich denke, es hat sich schon vor dem Virusausbruch vieles in der Branche verschoben, die Industrie befindet sich im Wandel. Schon davor haben viele Menschen Filme nur über Streaming-Plattformen konsumiert. Für mich selber heißt das natürlich nicht, dass es jemals eine Kinoerfahrung ersetzt. Ich schätze es rauszugehen und sehne mich jeden Tag mehr danach, endlich wieder Filme auf der großen Leinwand sehen zu können.

STANDARD: "Togo" ist ein Disney-Film mit Mensch und Tier. Für Sie eigentlich ein überraschender Part, denkt man an Ihre letzten Filme, Robert Eggers’ "Der Leuchtturm" oder die Arbeiten mit Abel Ferrara.

Dafoe: Ich hatte gar nicht so sehr im Kopf, dass es ein Disney-Film ist. Regisseur Ericson Core besaß ein intuitives Gefühl für den Stoff und viel Erfahrung mit Hunden. Außerdem ist er ausgebildeter Wildnis-Ersthelfer, Bergsteiger und ein toller Kameramann – der richtige Mann, um diese Geschichte zu erzählen. Es ist ein Drama mit wenigen Figuren, hauptsächlich Natur, Tieren und dieser Action-Reise. In dieser Hinsicht ist es kein konventioneller Film. Obwohl er spezifisch für diese Plattform gedreht wurde, haben wir ihn so realisiert, dass man ihn auch mühelos auf der großen Leinwand zeigen könnte: Es ist mehr ein Kinofilm als einer fürs Fernsehen. Unterscheidungen zwischen Abel Ferrara, Lars von Trier oder Robert Eggers und einem Film wie Togo treffe ich eigentlich nicht so sehr. Es läuft mehr nach dem Motto: Wenn man dabei ist, ist man dabei. Jeder Film ist anders.

STANDARD: Das heißt, Sie abstrahieren den ganzen Produktionshintergrund und konzentrieren die Arbeit auf die Figuren?

Dafoe:Genau. Für diese Figur war es etwa entscheidend zu lernen, den Hundeschlitten zu bedienen. Seppala lebt mit diesen Hunden, er arbeitet eng mit ihnen. Generell denkt man bei der Annäherung nicht so sehr an die Figur selbst, zumindest nicht unabhängig von allem anderen. Ich konzentriere mich stets darauf, was passieren wird, wie die Figur interagiert. Wenn man die Handlungen schließlich ausführt, hat man bereits eine Erfahrung, die einen anleitet. Daraus erwächst das emotionale Herz der Szenen. Mir geht es nie um so etwas wie Interpretation: Eine Figur zu erklären geht nicht weit genug. Das Publikum muss sehen können, wie man etwas durchlebt. Und das ist nicht beliebig: Um ein Schlittenfahrer sein zu können, muss man in dessen Kopf gelangen. Nur auf diese Weise können Dinge organisch passieren.

STANDARD: Robert Mitchum hat einmal gesagt, es gebe zwei Schauspielstile – einmal mit Pferd, einmal ohne. Wie verhält sich das bei Hunden?

Dafoe: (lacht) Alles, was ich sagen kann, ist: Tiere sind herausfordernd, weil man sie nicht kontrollieren kann. Man muss geduldig sein und eine neue Form von Kommunikation versuchen. Offensichtlich sprechen Hunde nicht unsere Sprache! Ich konnte Diesel in die Augen sehen, sein Verhalten zu lesen lernen – jeder, der ein Haustier hat, weiß, worauf ich hinauswill. Gibt es einen besten Hundeschauspieler der Welt? Ich weiß nicht so recht ... Für Diesel war es manchmal schon eine Herausforderung, einfach nur so dazusitzen und mich anzuschauen. Dann wieder war er wunderbar und zeigte mir vor, wie ich mich verhalten sollte. Es ist ein ständiges Vor und Zurück. Die Schönheit liegt in der Unvorhersehbarkeit.

STANDARD: Man kennt Ihr Faible für Outdoor-Drehs – in "Togo" gibt es spektakuläre Szenen, die mit CGI entstanden.

Dafoe: Sie wären schockiert, wenn Sie wüssten, wie wenig davon computergeneriert ist! Es gibt nur zwei längere Sequenzen, eine davon spielte nahe einem steilen Abhang, da wäre es einfach für die Hunde zu gefährlich gewesen. Und dann gibt es die Sequenz über den zugefrorenen See, der dann in einzelne Eisschollen aufbricht – was natürlich real nicht ging. Aber alles wurde an einem Schauplatz gedreht, keine Greenscreens. Was Sie sehen, wurde mechanisch hergestellt. Ich finde auch, dass man das beim Zuschauen fühlen kann. (Dominik Kamalzadeh, 29.4.2020)