Gutes Scheitern heißt für Matthias Strolz, nicht liegen zu bleiben.

Foto: Puls 4

"Es macht ab und an den Eindruck, als würde ich mich an das Buch klammern. Beim nächsten Mal werde ich es weniger oft zur Hand nehmen." Matthias Strolz über sein grünes Notizbuch in der"Fuck Up Show".

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Dass Matthias Strolz nicht mundfaul ist, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Das weiß sogar er selbst. Umso überraschter war der Neos-Parteigründer und -Klubchef bis 2018, als er bei der Aufzeichnung der "Fuck Up Show" von Puls 4 ungewohnte Nervosität bei sich feststellen musste: In der ungewohnten Rolle des Moderators habe er sich plötzlich nicht einmal die zwei Minuten Text merken können, den er selbst verfasst hatte, erzählt Strolz im Telefonat mit dem STANDARD. In der "Fuck Up Show" gibt Strolz ab 5. Mai gescheiterten Menschen eine Bühne.

STANDARD: Die Sendung feiert Gescheiterte wie heimliche Sieger. Ist es erstrebenswert zu scheitern?

Strolz: Durchaus, es ist vor allem unvermeidbar. Es gibt keine Biografie ohne Brüche, kein Leben ohne Rückschläge, ohne Niederlagen. Es kommt aber darauf an, was man daraus macht. Gutes Scheitern ist für mich, nicht liegen zu bleiben.

STANDARD: An welchen "fetten Fuck-up" (Zitat: Matthias Strolz) erinnern Sie sich als Politiker?

Strolz: Da gab es einige. Die Landtagswahlen, bei denen wir nicht den Einzug geschafft haben, das hat schon wehgetan. 2015 war ein sehr schwieriges Jahr, da gab es verlorene Landtagswahlen, Demotivation des Teams und finanzielle Sorgen, die millionenschwer auf den Schultern des Vorstands lasteten. Aber ich bin ein ewig Lernender und glaube, dass wir gesellschaftlich einen falschen Begriff vom Lernen haben. Das wird mit Schule verwechselt. Dabei hört es nie auf. Wir lernen bis zum letzten Atemzug, und selbst wenn wir körperlich verwelken, sind wir immer noch großartig Lernende.

STANDARD: Im Fernsehen zu moderieren war neu. Wie haben Sie an Ihrer TV-Performance gearbeitet?

Strolz: Ich bin da kein kompletter Anfänger, aber ein Lehrling. Ich weiß, dass in der Branche manche gesagt haben: Der glaubt, er kann alles. Dem ist nicht so! Ich habe Vorkenntnisse aus anverwandten Gewerben, aber ich bin ein Anfänger. Bei der Fuck Up Show war ich am ersten Drehtag wirklich nervös. Du kannst mich auf die Bühne stellen mit meinem Buch oder mich zu politischen Themen reden lassen, da ist eher die Gefahr, dass ich nie mehr aufhöre zu reden. Als Moderator fiel es mir schwer, mir Texte zu merken, sogar wenn ich sie selbst geschrieben habe, die nur zwei Minuten dauern. Wir haben einen Coach für ein Treffen dazugeholt, der sagte, worauf ich achten sollte, und so komme ich schon relativ schnell in die Performanz, hoffe ich.

STANDARD: Wichtiges Requisit in der Show ist ein kleines grünes Büchel. Was schreiben Sie denn da rein? Krixikraxi, oder machen Sie sich wirklich Notizen?

Strolz: Eine Mischung aus beidem. Die Idee ist, dass ich mir als aktiver Zuhörer Notizen mache, und es hilft mir. Ich bin allerdings ein bisschen oft damit im Bild, und es riecht etwas nach Verlegenheitsgeste. Es macht ab und an den Eindruck, als würde ich mich an das Buch klammern. Beim nächsten Mal werde ich es weniger oft zur Hand nehmen. (lacht)

STANDARD: Die grundsätzliche Frage ist ja: Warum macht Matthias Strolz das? Sehen Sie sich nicht gerade jetzt in der Politik gefragt?

Strolz: Ich bin schon bewegt in diesen Zeiten und nehme sehr daran teil, was im Kollektiv vonstattengeht. Ich begreife mich natürlich als Gestalter. Für mich ist es das Gleiche, ob ich als Publizist, als Fernsehmacher, als Autor, als Politiker oder Vater unterwegs bin. Ich kultiviere immer soziale Felder. Die Fuck Up Show beschäftigt sich mit der Frage, wie kommt man aus Schicksalsschlägen heraus. Das, kombiniert mit meiner Tätigkeit als Autor, gibt mir die Gewissheit, dass ich meinen Beitrag für das große Ganze leiste. Das stillt auch den Hunger auf Politik. Natürlich bin ich ein politischer Kopf und immer gefährdet, mich selbst zu wichtig zu nehmen. Ich habe eine sehr kraftvolle Nachfolgerin, die Partei ist in guten Händen, und ich werde in der Familie mehr gebraucht als in den letzten Jahren. Die Entscheidung, dass ich in diesem Jahr und in den kommenden nicht in politischen Spitzenfunktionen sein werde, die ruht in großer Klarheit.

STANDARD: An der Krise wachsen ist auch so ein geflügeltes Wort. Haben Sie Anregungen, wie die Wirtschaft wieder in die Gänge kommen soll?

Strolz: Überall dort, wo Kreativität aufsteht, müssen wir das ermutigen und fördern. Es werden viele nicht mehr aufstehen. Wir werden Masseninsolvenzen erleben trotz aller Hilfspakete, zu den hunderttausenden Arbeitslosen werden weitere hinzukommen. Daraus wird etwas Neues entstehen. Die Zeit nach Corona wird eine Zeit des Aufbruchs sein. Wir müssen so etwas wie Landebahnen für die Zukunft bauen.

STANDARD: Das soziale Sicherheitsnetz gibt es für Sie als Privatier nicht mehr. Wie ist Ihr Geschäftsmodell Matthias Strolz betroffen?

Strolz: Massiv. Die Promotiontour für mein letztes Buch kam zu einem jähen Tod. Ein Drittel der Tour ging dadurch verloren, ich habe Beratungsmandate verloren, mein Coaching liegt darnieder, weil ich einer bin, der lieber in Direktbegegnung coacht. Vielleicht müsste ich da auch umlernen. Ich habe einen Polster, mit dem ich bis Herbst durchkomme. Ich habe keine große Struktur, meine Mitarbeiterin ist seit diesem Monat auf Kurzarbeit, nachdem sie im März noch vollbeschäftigt mit Absagen und Stornierungen war. Viel Zuarbeit kam in den letzten Monaten über PR-Agenturen, Filmfirmen, Verlage, da bin ich Dienstleistungsempfänger, das macht es leichter, weil ich hier nicht unmittelbar für die Mitarbeiter zuständig bin. Nächste Woche kommt auch schon mein neues Buch. Und ich bin nun stark als Partner beim Start-up story.one aktiv. Wir haben die Ambition, die Zahl der lebenden Autoren auf diesem Planeten von einer Million auf zwei zu verdoppeln. Geschichten verbinden uns Menschen. Das Geschäftsmodell ist noch in Entwicklung. Aber in Sachen Weltverbesserung sind wir sehr aktiv, das heißt, in der Abteilung Bäumeumarmen sind wir schon im Plus! (Doris Priesching, 30.4.2020)

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