Finanzminister Blümel (ÖVP) würde gern das EU-Beihilfenrecht temporär aussetzen.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Brüssel/Wien – Die EU-Kommission hat am Mittwoch die von Finanzminister Gernot Blümel und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) mehrfach geäußerte Kritik an der Dauer der Prüfung staatlicher Beihilfen und dem erlaubten Umfang zurückgewiesen. Bei der Einreichung der österreichischen Beihilfevorhaben am 31. März hätten für die Bewertung wesentliche Elemente gefehlt, hieß es in einer Stellungnahme.

Unklar sei unter anderem gewesen, ob nur Maßnahmen auf staatlicher Ebene oder auch auf Länderebene erfasst sein sollen und welche Wirtschaftssektoren einbezogen werden, so die Brüsseler Behörde in einem Statement der Kommissionsvertretung in Österreich. Außerdem hätten für einige Maßnahmen noch die nationalen Rechtsgrundlagen gefehlt. Nach Klärung der offenen Fragen habe die EU-Kommission "umgehend grünes Licht" gegeben und eine Liquiditätsregelung im Ausmaß von 15 Milliarden Euro am 8. April sowie Garantieregelungen für Klein- und Mittelunternehmen am 16. April genehmigt.

Blümel: "über Wochen auf Taube Ohren gestoßen"

"Die Europäische Kommission räumt der Prüfung von Maßnahmen, die der Unterstützung der Wirtschaft in der Coronakrise dienen, absolute Priorität ein", unterstrich die Behörde. Gleichzeitig hänge die Dauer der Prüfung "stark vom Umfang und der Vollständigkeit der Informationen ab, die der jeweilige Mitgliedstaat bereitstellt". Seit Ausbruch der Krise seien von der EU-Kommission bereits 90 Entscheidungen zur Genehmigung von rund 120 staatlichen Maßnahmen getroffen worden.

Finanzminister Blümel hatte zuletzt gefordert, dass das EU-Beihilfenrecht "in weiten Teilen vorübergehend ausgesetzt werden" solle. Man brauche "mehr Unterstützung der EU, damit wir schneller helfen können". In einer Reaktion auf die Aussagen der Kommission warf Blümel den Verantwortlichen in Brüssel vor, "das Problem noch immer nicht verstanden zu haben". Es gehe in der aktuellen Phase darum "Unternehmen und Arbeitsplätze in Österreich und in Europa zu retten und nicht um einen Bürokratie-Wettbewerb". Man wisse nicht, welche Maßnahmen es im weiteren Verlauf noch brauche, "daher sollten wir für die Zeit der Krise weitgehende Ausnahmen ermöglichen".

In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) hatte der Finanzminister zuvor beklagt, dass er "über Wochen" in Brüssel auf "taube Ohren" gestoßen sei, als Österreich zu Beginn der Krise Betrieben "nach dem Schweizer Modell helfen, also zu 100 Prozent vom Staat garantierte Kredite ausgeben" wollte. "Als es dann genehmigt war, mussten wir bürokratische Hürden überwinden", wird Blümel in der "FAZ" zitiert.

EU-Beihilfenrecht ist Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche Erholung

Auch gegen diese Behauptungen wehrt sich die EU-Kommission und hält fest, dass die EU-Länder gemäß dem adaptierten temporären Beihilferahmen vom 3. April die Möglichkeit haben, eine staatliche Garantie von bis zu 100 Prozent für Kredite von bis zu 800.000 Euro pro Unternehmen zu gewähren. Zudem seien geringfügige Beihilfen (sogenannte De-minimis-Beihilfen in Höhe von 200.000 Euro) erlaubt, die nicht meldepflichtig sind.

In Einklang mit den EU-Verträgen sei im März "sofort auf die durch die Corona-Krise verursachten wirtschaftlichen Verwerfungen" reagiert und ein erster befristeter Beihilferahmen am 19. März angenommen worden, um den EU-Mitgliedern "maximalen Spielraum bei der Unterstützung der nationalen Wirtschaft einzuräumen". Bei der Erarbeitung der beiden Beihilferahmen seien alle Mitgliedstaaten um ihre Meinung gebeten worden. Österreich habe weder bei der Konsultation zum ursprünglichen noch zum erweiterten Rahmen eine Garantie von bis zu 100 Prozent für Unternehmen gefordert, so die EU-Kommission.

Das EU-Beihilfenrecht soll laut der EU-Behörde sicherstellen, dass "nationale Maßnahmen jene Unternehmen, die von der Coronakrise betroffen sind, zielgerichtet und angemessen unterstützen, und dabei gleichzeitig faire Rahmenbedingungen in der EU und die Integrität des Binnenmarkts gewahrt bleiben". Die EU-Wettbewerbsregeln sorgten auch dafür, dass "Klein- und Mittelbetriebe gegenüber großen Unternehmen und Konzernen nicht benachteiligt und Konsumentinnen und Konsumenten ausreichend geschützt werden".

"Die Aufrechterhaltung fairer Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer und eines funktionierenden Binnenmarkts ist eine Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche Erholung", erinnerte die EU-Kommission. Für Fragen und Kritik stehe man "rund um die Uhr" bereit. (APA, red, 29.4.2020)