Bereits im November 2019 wurden an den österreichischen Grenzen wieder Kontrollen eingeführt. Begründet wurde dies damals mit einer "angespannten Migrationslage". Jetzt hat Österreich aufgrund der grassierenden Corona-Pandemie de facto einen Einreisestopp erlassen. Grenzen dicht – auch zu Ländern wie etwa Deutschland, Italien oder Tschechien. Das trifft auch Asylwerberinnen und Asylwerber, also Personen, die in Österreich einen Asylantrag stellen. Dass damit ein EU-Mitgliedstaat ein (völker)rechtswidriges Verhalten setzt, die Genfer Flüchtlingskonvention mit Füßen tritt und das Asylrecht aussetzt, sollte – vor allem in juristischen Kreisen – zu einem laut vernehmbaren Aufschrei führen. Tut es aber nicht. Dies könnte wohl der viel strapazierten Ausnahmesituation geschuldet sein.

Neuer Erlass

Das Sozialministerium hat vor kurzem eine Verordnung erlassen, wonach Personen die Einreise nach Österreich zu verweigern ist, wenn sie kein ärztliches Zeugnis vorlegen. In einem Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 27. März wird diese Einreiseverweigerung konkretisiert: Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft, sowohl Unionsbürgerinnen und -bürger als auch Drittstaatsangehörige ohne Aufenthaltsrecht, dürfen nur mit einem entsprechenden Gesundheitszeugnis, das nicht älter als vier Tage ist, nach Österreich einreisen. Besonders brisant ist, dass eine Einreiseverweigerung durch die Gesundheitsbehörden auch möglich ist, wenn an der Grenze ein Asylantrag gestellt wird.

Der Erlass begründet dies wie folgt: "Eine gegenteilige Rechtsauffassung würde alle zum Schutz der Bevölkerung ergriffenen Maßnahmen im Rahmen des Grenz- und Einreiseregimes konterkarieren. Jede Person – beispielsweise auch ein EU-Bürger – könnte in diesem Falle trotz Nichterfüllen der Einreisevoraussetzungen wie beispielsweise des Vorliegens eines Gesundheitszeugnisses durch die bloße Asylantragsstellung die Einreise in das Bundesgebiet erzwingen."

Klarer Verstoß

Dieser Erlass verstößt klar gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Dort ist festgelegt, dass keine Person in das Herkunftsland zurückgeschickt werden darf, wenn ihr dort Verfolgung droht. Dieses Refoulement-Verbot leitet sich auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ab, die in Österreich immerhin im Verfassungsrang steht. Der Grundsatz des Non-Refoulement muss also eingehalten werden. Das betonen auch UNHCR und die Europäische Kommission. Selbiges schreibt auch der Erlass des Innenministeriums vor. Aber wie das in der Praxis aussieht? Wir wissen es nicht.

Der Grundsatz der Nichtzurückweisung muss eingehalten werden – aber wie?
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Der Erlass verstößt auch klar gegen das österreichische Asylrecht. Dort ist festgeschrieben, dass durch einen Asylantrag bei einer Grenzkontrolle die Antragstellerin beziehungsweise der Antragsteller in den Genuss des Refoulment-Verbots kommt und faktischen Abschiebeschutz genießt. Und zwar so lange, bis das zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine anderslautende Entscheidung trifft.

Der Schutz vor Verfolgung zählt in Corona-Zeiten scheinbar nicht mehr. Die österreichische Praxis ist (völker)rechtswidrig und daher auf das Schärfste zu kritisieren. Denn eines muss außer Streit stehen: Flüchtlingsrechte sind nicht verhandelbar! (Kevin Fredy Hinterberger, 29.4.2020)