Bild nicht mehr verfügbar.

Mike DeWine, republikanischer Gouverneur Ohios, setzt sich in der Corona-Krise vom Weißen Haus ab.

Foto: Reuters/Bryan Woolston

Was Mike DeWine mit Donald Trump verbindet, ist die Parteifarbe, das Rot der Republikaner. Der studierte Jurist, dessen Vorfahren vor den Hungersnöten Irlands nach Amerika flohen, ist seit Jänner vorigen Jahres Gouverneur des US-Bundesstaats Ohio. Es ist ein Staat, in dem Trump 2016 das Duell gegen Hillary Clinton mit klarem Vorsprung gewann. Was ihn unterscheidet von einem Präsidenten, der neulich empfahl, sich ein Desinfektionsmittel zu injizieren, um das Virus im Körper zu besiegen, ist die Tatsache, dass er sich strikt an den Rat der Wissenschaft hält, insbesondere der Virologen.

DeWine, 72 Jahre alt, schloss die Schulen Ohios, bevor irgendein anderer US-Staat seinem Beispiel folgte. Eine Primary im parteiinternen Wettlauf um die Präsidentschaftskandidatur schob er zunächst auf, um später zu verfügen, dass statt in Wahllokalen ausschließlich per Briefwahl abgestimmt wird. Auch das geschah im Kontrast zu Trump, der vor dem Briefwählen warnte, weil dabei angeblich massiv betrogen werde.

In einem Satz: DeWine fährt seinen eigenen Kurs, ohne groß zu beachten, was an häufig widersprüchlicher Rhetorik aus dem Weißen Haus kommt. Dort feuerte der Hausherr Demonstranten an, die eine rasche Rückkehr zur Normalität verlangten, um kurz darauf den Gouverneur Georgias, einen Parteifreund, dafür zu rügen, dass zu schnell zur Normalität zurückgekehrt war. Ohio lässt es vergleichsweise vorsichtig angehen. Ab 4. Mai kann wieder in Industriebetrieben, in Büros und auf Baustellen gearbeitet werden.

Balanceakt zwischen Diplomatie und Kritik

Am 12. Mai dürfen die meisten Läden öffnen, während Restaurants und Friseursalons bis auf weiteres geschlossen bleiben. DeWine weiß aber auch, dass man als Republikaner nicht gut beraten ist, wenn man den offenen Konflikt mit Trump sucht. Der neigt bekanntlich dazu, seine unbeirrbar loyalen Anhänger an der Parteibasis gegen jeden anzustacheln, der in seinen Augen eine Machtprobe mit ihm wagt.

Folglich hat der Gouverneur einen Balanceakt von hohem Schwierigkeitsgrad zu absolvieren, was er in so diplomatischem Ton tut, dass ihm Kritiker Leisetreterei vorwerfen.

Einmal ließ sich das bei einer Videoschaltung mit der US-Tageszeitung Washington Post sehr schön beobachten. Trump hatte behauptet, nur er allein könne darüber befinden, wann die Bundesstaaten ihre Restriktionen lockern. DeWine widersprach, allerdings mit ausgesuchter Höflichkeit. Nun, er werde hier nicht den Verfassungsrechtler spielen, antwortete er auf die Frage, ob der Präsident richtig liege, wenn er die alleinige Entscheidungsgewalt für sich beanspruche. "Aber ich denke, historisch betrachtet haben die Leute immer die Staaten, die Gouverneure als diejenigen angesehen, die zu entscheiden haben, wenn es um die Gesundheit geht, um Überschwemmungen, darum, wie man auf Notfälle reagiert."

Gute Umfragewerte

Legt man Umfragen zugrunde, lässt der Umgang mit der Epidemie die Beliebtheitswerte DeWines in nie für möglich gehaltene Höhen klettern. 85 Prozent der Ohioans befürworten, wie er die Krise managt. Drei Viertel sind der Meinung, er mache seinen Job besser als der Mann im Oval Office. Manche scheinen in seinen täglichen Pressekonferenzen sogar eine Art Anker in Zeiten akuter Verunsicherung zu sehen. Ein Fanclub lädt dazu ein, sie, nachmittags um zwei, mit einem Glas Wein in der Hand zu verfolgen. "Wine with DeWine": Der Spruch ist inzwischen auf T-Shirts, Weingläsern und – warum auch immer – auf Kaffeetassen zu lesen.

Im Grunde gilt der Vater von acht Kindern als typischer Vertreter jener politischen Klasse, als deren Gegenspieler sich Trump in der Pose des Rebellen zu profilieren verstand. Dazu als Symbol biederer Bodenständigkeit: In Ohio ist er aufgewachsen, in Ohio hat er studiert, während des Studiums heiratete er eine Frau, der er zum ersten Mal begegnet war, als beide die erste Schulklasse besuchten. Seit er im Alter von 29 Jahren zum Staatsanwalt eines Landkreises Ohios gewählt wurde, erklomm er geduldig Sprosse für Sprosse auf der Karriereleiter der Politik. DeWine war Bundesstaatensenator, Kongressabgeordneter, US-Senator und Justizminister Ohios, bis er schließlich in der Gouverneursvilla einzog. (Frank Herrmann, 29.4.2020)