Das Parlamentsausweichquartier in der Wiener Hofburg.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

PRO: Nachuntersuchung nötig

von Fabian Schmid

Es steht völlig außer Frage, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Corona-Krise nötig ist. U-Ausschüsse sind dazu da, die Handlungen von Regierung und Behörden kritisch zu durchleuchten. In der Corona-Krise gab es Entscheidungen, die nahezu unvorstellbare Folgen für unser aller Leben hatten. Wer hätte gedacht, dass eine österreichische Regierung anordnet, dass das öffentliche Leben stillsteht? Welches Regierungshandeln soll man eigentlich untersuchen, wenn nicht solches?

Wichtig dabei: Ein U-Ausschuss ist keine Vorverurteilung, wenngleich es natürlich kritikwürdige Punkte gab, die man genau prüfen muss. Hat die Regierung absichtlich eine Strategie der Übertreibung gewählt, um der Bevölkerung Angst einzujagen? Hat sie die Corona-Krise lange unterschätzt? Was war mit den Ischgl-Warnungen aus Island und Skandinavien, auf die nicht reagiert wurde?

All das wird man sich ansehen müssen – natürlich nicht sofort, mitten während der Krise, aber zeitnah. Eigentlich wäre ÖVP und Grünen nur zu raten, einen raschen U-Ausschuss zu ermöglichen. Denn dessen gar nicht so unwahrscheinliches Ergebnis kann ja auch sein: Es ist beeindruckend, was Regierung und Behörden unter immensem Druck binnen kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben. Und dabei gab es natürlich auch Pannen, aus denen man für die Zukunft lernen kann. (Fabian Schmid, 29.4.2020)

KONTRA: Keine leeren Kilometer

von Gerald John

Angesichts mieser Umfragewerte ist es logisch, dass die Opposition in die Offensive will. Doch der Weg in einen U-Ausschuss führt in die Irre.

Die Regierung hat in der Krise manche zweifelhafte Aktion gesetzt, in den großen Fragen aber weiß sie starke Argumente auf ihrer Seite. In Österreich starben weit weniger Menschen an Covid-19 als anderswo, die Versorgung in den Spitälern ist nicht zusammengebrochen.

ÖVP und Grüne hätten die Gefahr des Virus maßlos aufgebauscht, hakt die FPÖ als treibende Kraft hinter dem U-Ausschuss an dieser Stelle ein: Schließlich seien sämtliche Horrorszenarien nicht eingetreten. Dieses hanebüchene Argument ist leicht zu zerpflücken. Dem Gros der Bürger wird sich eher die Erklärung aufdrängen, dass der Worst Case gerade deshalb nicht stattgefunden hat, weil die Regierung die richtigen strengen Maßnahmen gesetzt hat. Als Kronzeugen kann die Koalition führende Experten aufbieten – und die schrecklichen Zustände in Italien oder Spanien beweisen, dass das Virus eben nicht harmlos ist.

Die Opposition wird folglich daran scheitern, die Regierung nachträglich als schlechte Krisenmanagerin zu brandmarken. Statt leere Kilometer zu machen, sollten sich SPÖ, FPÖ und Neos für die Kämpfe der Zukunft rüsten. Rekordarbeitslosigkeit, abgehängte Schüler, die Verteilungsfrage: Die Bewältigung der Corona-Folgen bietet lohnendere Angriffspunkte für kantige Oppositionspolitik. (Gerald John, 30.4.2020)