Im ersten Teil wurde ein Blick auf die konservativen Ursprünge des Natur- und Umweltschutzes geworfen. Nun soll es um die zentralen ideologischen Merkmale rechter Ökologiekonzeptionen gehen.

In den 1970er Jahren begann sich nun endlich auch die Linke eingehend mit dem Themenkomplex Natur- und Umweltschutz auseinanderzusetzen, vor allem im Zuge der Anti-Atomkraft-Bewegung, an der sich die radikale Linke auch mit militanten Aktionen beteiligte und die Proteste radikalisierte. Einer fortschrittsoptimistischen traditionsmarxistischen Position galt das Engagement jedoch noch lange Zeit als kleinbürgerlich und reaktionär. Mit dem linken Engagement wurde Ökologie aber nicht über Nacht zu einem emanzipatorisch besetzen Themenkomplex. Rechtsextreme und konservative Umweltgruppen existierten nach wie vor, nicht nur in der Bewegung, sondern auch in den grünen Parteiprojekten, die im Zuge des Erstarkens der Umweltbewegung entstanden.

So gab es neben der eher progressiven Alternativen Liste Österreichs (ALÖ) auch die Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ), die sich als Sammelbewegung des bürgerlich-konservativen Umweltschutzlagers begriff und auch einige Deutschnationale beherbergte. Bezeichnenderweise wurde das Umweltschutz-Volksbegehren im Jahr 1985 im Zuge der Besetzung der Hainburger Au, die als zentraler Gründungsmoment der Grünen in Österreich gilt, nach dem nationalsozialistischen Rassekundler Konrad Lorenz benannt. Und auch abseits rechter Gruppen blieben viele Aktivistinnen und Aktivisten, die sich mit Umweltthemen auseinandersetzen, rechtsökologischen und menschenverachtenden Vorstellungen und Argumentationsmustern verhaftet, selbst wenn sie ihr Engagement nicht bewusst als konservativ oder nationalistisch verstanden.

Ökologie und politisches Handeln

Festzuhalten ist, dass das Thema Ökologie und Umweltschutz den Mainstreamdiskurs erreicht hat und sich alle politischen Spektren in irgendeiner Form dazu verhalten müssen. So spricht die ÖVP schon seit Jahrzehnten von einer „ökosozialen Marktwirtschaft“ und gründete in den 90er-Jahren das Ökosoziale Forum, einen der Partei nahestehenden Verein und Think-Tank. Und auch im FPÖ-Parteiprogramm widmet man sich den Thema, welches sogleich im Kapitel „Heimat, Identität und Umwelt“ unter völkische und biologistische Gemeinschaftsvorstellungen subsumiert wird. Dort heißt es: „Der Schutz unserer natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage für unsere Heimat Österreich, eine nachhaltige und schonende Bewirtschaftung und die biologische Vielfalt haben für uns hohe Bedeutung.“

Aber auch bei vielen sich als links oder unpolitisch begreifenden umweltbewegten Aktivistinnen und Aktivisten lässt sich beobachten, dass politisches Handeln vor allem unter das Primat der Ökologie gestellt wird. Andere Politikbereiche finden dabei kaum Berücksichtigung, es sei denn, diese stehen im Widerspruch zur angestrebten ,Ökologisierung’ der Gesellschaft. Auch eine grundsätzliche Kritik der polit-ökonomischen Zusammenhänge fehlt hier weitgehend. Ökologische Veränderungen und Zielvorstellungen werden somit nur noch im Rahmen des bestehenden kapitalistischen Systems gedacht, selbst wenn die geforderten weitreichenden Veränderungen ihre Grenze an den herrschenden Verhältnissen finden.

Das Primat der Ökologie, der verengte Blick auf positive ökologisch Effekte, begünstigt zudem die Verbreitung und Durchsetzung rechter Ökologiekonzeptionen. Sobald diese zumindest vordergründig einen ökologischen Nutzen versprechen, können sie zunächst einmal mit breiter Akzeptanz rechnen und erscheinen als legitimer Beitrag zur Ökologie- oder Klimadebatte. Dies ist vor allem in Zeiten eines gesellschaftlichen Rechtsrucks bedrohlich, in dem rechte Erzählungen in der Gesellschaft generell mehr Zuspruch erfahren. Die Klima- und Umweltbewegung nimmt hier rechtes Gedankengut auf und verbreitet es weiter, auch wenn dieser Vorgang in vielen Bereichen unbewusst passiert. Deshalb soll es im Folgenden darum gehen, anhand welcher Argumentationsstränge rechtes Gedankengut ökologisch verpackt und verbreitet wird.

Leben im Einklang mit der Natur – Biologismus

Der Leitspruch vom Leben im Einklang mit der Natur, der bei vielen in der Umwelt- und Klimabewegung auf Zuspruch stößt, kann sehr schnell zu einer Leitlinie antiemanzipatorischer Politik werden. Denn wenn die konsequente Berücksichtigung ökologischer Fragestellungen in Politik und Alltag ein angestrebtes Ziel oder gar eine überlebensnotwendige Forderung sein soll, dann scheint es für viele naheliegend, ,natürliche’, biologische oder spezielle ökologische Gesetzmäßigkeiten zum Maßstab für menschliches Sozialverhalten zu erklären. Dieser Biologismus gehört zum Standardinventar konservativer und faschistischer Ideologien.

Sowohl mit dem sozialdarwinistischen „Kampf ums Dasein“ der dem „Überleben des Stärkeren“, die auch Anknüpfungspunkte in den Alltagserfahrungen einer kapitalistisch verfassten Konkurrenzgesellschaft finden, als auch mit der ganzheitlichen Schau des Naturganzen, sollten immer schon die unüberwindbare Ungleichheit der Menschen, die Notwendigkeit von Hierarchie und Elite, die Schädlichkeit gesellschaftlicher Emanzipation und die damit zusammenhängende Unmöglichkeit gesellschaftlicher Veränderung, die Unterordnung des Einzelnen unter das Zwangskollektiv, die Trennung in wertes und unwertes Leben, sowie die Kontinuität von Unterdrückung und Ausbeutung legitimiert werden. Die Naturalisierung der (binären) Geschlechterverhältnisse dient hier ebenso der Absicherung patriarchaler Herrschaftsbeziehungen. Menschen werden dabei weniger als soziale Wesen gedacht, die zur Gestaltung ihrer Umwelt fähig sind, vielmehr folgt in dieser Vorstellung jegliche Entwicklung starren und unveränderbaren Naturgesetzen, denen man sich unterzuordnen habe. 

Biologisch verpackter Rassismus

Ein Blick in die Geschichte reicht zudem, um zu zeigen, dass ökologische oder biologische ,Gesetze’ keinen Ewigkeitswert hatten, sondern wie der Fortschritt von Gesellschaft und Forschung ebenfalls einem stetigen Wandel unterliegen und mehrere Theorien gleichzeitig in Diskussion stehen. Der Rückgriff auf bestimmte Modelle und Theorien ist also keineswegs objektiv und neutral, sondern Ausdruck der Geisteshaltung der Biologistinnen und Biologisten und der damit verbundenen gesellschaftlichen Ordnungsmodelle. Viele soziale Phänomene wie Konkurrenz und Egoismus werden nicht als Produkt einer Gesellschaft beschrieben, die solche Eigenschaften aus ihren Strukturen heraus selbst hervorbringt, sondern als anthropologische Konstanten, in welche das individuelle Verhalten der einzelnen Menschen projiziert und daraus dann das Gesellschaftliche erklärt werden soll. Diese Vorstellungen gehen weit über die extreme Rechte hinaus und sind vielerorts hegemoniale Erklärungsmuster, verdinglichende und naturalisierende Betrachtungsweisen des Gesellschaftlichen, die aus der Struktur kapitalistischer Gesellschaft selbst als „objektive Gedankenformen“ (Marx) produziert werden.

So leiten auch die neofaschistischen ,Identitären’ ihre völkisch-rassistischen Ausschlussfantasien aus dem Reich der Biologie ab, wenn sie schreiben: „Vom Marienkäfer bis zum Buntspecht, vom Luchs bis zum Narwal – jedes Lebewesen liebt sein Revier und verteidigt es mit seinen Artgenossen gegen fremde Übergriffe.“ Rassismus wird als natürliche Abwehrreaktion gegen das Eindringen von ‚Fremden’ dargestellt. Das meint auch der ehemalige Führungskader des neonazistischen Bund freier Jugend (BfJ) Stefan Magnet in der rechtsextremen Zeitschrift „Info-Direkt“, wenn er ausführt, warum Umweltschutz gleichbedeutend mit „Heimatschutz“ sei: „Wahrer Naturschutz kann nämlich nur von Menschen kommen, die zum kritischen Selbstdenken fähig sind und somit das Leben auf dieser Erde in einer Natur-Ganzheit begreifen, die also nicht nur die Pflanzen- und Tierarten in ihrer Vielfalt erhalten wollen, sondern auch die Völker und Kulturen. Der Mensch ist mit dem Boden und der Umwelt verwoben, immer, egal wo er wandelt. Daher gehören Umweltschutz und der Schutz von Kulturen und Völkern untrennbar zusammen“. Der Einsatz für die Umwelt wird in eine Blut-und-Boden-Rhetorik verwandelt, die das Soziale und Gesellschaftliche negiert und den einzelnen Mensch als den höheren Gesetzen einer „Natur-Ganzheit“ unterworfen begreift. Jedes Zuwiderhandeln, das diesen Gesetzen widerspricht, gilt als ,unnatürlich’ und verwerflich.

Identitäre sehen Umweltschutz als Heimatschutz, da auch das "Volk" erhalten werden soll.
Foto: EPA/CHRISTIAN BRUNA

Auch eine rechte Wachstumskritik bedient sich biologistischer und zuweilen antisemitischer Erklärungsmuster, wenn zum Beispiel attestiert wird, dass dauerhaftes Wachstum in der Natur unmöglich sei, „allenfalls als krebsartig wuchernd und damit krankhafte Erscheinung“, wie Helmut Creutz, einer der Hauptvertreter der deutschen Freiwirtschaftslehre ausführt. Nicht die selbstzweckhafte kapitalistische Produktion von abstraktem gesellschaftlichen Reichtum wird kritisiert, sondern eine ,erkrankte’ Gesellschaft und die ,Bevölkerungsexplosion’ (wir kommen später darauf noch zu sprechen). Hiermit wird ein apokalyptisches Katastrophenszenario entworfen, dessen einzige Lösung lautet: Anpassung an die Naturgesetze oder Untergang. Hier zeigt sich, was für den Rechtsextremismus im Allgemeinen gilt: Die ideologische Basis ist immer ein biologistisches Menschen- und Weltbild.

Gegen Umweltzerstörung, Entfremdung und Werteverfall

Neben der Ableitung des Sozialen aus dem Reich der Natur treibt die extreme Rechte vor allem ein Wertefundamentalismus an, den sie der ‚dekadenten‘ modernen Lebensweise entgegensetzen wollen. Dabei schmieden sie unentwegt an unheiligen Allianzen, um den verhassten Liberalismus den Gar aus zu machen. Dabei werden eine Vielzahl an Aussagen oder Theorien solange zurechtgebogen, bis sie zu ihrem menschenverachtenden Konzept passen. So dankt Stefan Magnet in seinem Artikel „Danke Greta!“ im rechtsextremen Magazin „Info-Direkt“ der jungen Klimabewegung. Ihr „Engagement für ihre eigene Zukunft, besonders für das Klima“ hätte in der „Jugend ein biologisch-kulturelles Programm aktiviert: Die Sorge um die eigene Existenz“. Es gehe ihr nicht mehr nur um „Party und Smartphones“, sondern ganz im Gegenteil um „die Zukunft des eigenen Volkes“.

Dass Umweltverschmutzung und Klimawandel vor allem Ausdruck einer verfehlten Geisteshaltung und eines zunehmenden Werteverfalls seien, gilt innerhalb der Ökologiebewegung als weitverbreitete Einschätzung, die direkt an eine rechte und konservative Kulturkritik anschließt. Nicht die der Umweltverschmutzung oder dem Klimawandel zugrunde liegenden ökonomischen und politischen Strukturen stehen im Mittelpunkt der Analyse, sondern ein fehlendes ,Umweltbewusstsein’, die Hinwendung zum Materialismus und die damit zusammenhängende Abwendung von ,Volk’ und ,Heimat’, da der einzelne Mensch im Mittelpunkt stehe. Die Ursachen des Klimawandels und der Umweltzerstörung werden hier individualisiert und als Produkt eines egoistischen, materialistischen Anspruchsdenkens dargestellt. Die Lösung erscheint in einer neuen, auf materiellen Verzicht und Entsagung gegründeten Moral, die man dem ,Werteverfall’ entgegensetzt. Ein neuer Wertefundamentalismus soll zusammenhalten, was der reale Prozess auseinandertreibt.

Revolte gegen die moderne Welt

Die Abkehr von der ,Natur’ erscheint im rechten Denken immer auch als geistige Entfremdung von ,Volk’ und Heimat. Als geistiges Gift, die diese Entfremdung zu verantworten habe, werden vor allem der ,Liberalismus’ und der Marxismus mit ihrem universalistischen Auffassungen gegeißelt. Entfremdung wird hier ganz im altbekannten Sinne verstanden, nämlich als Entfremdung von etwas ,Eigentlichem’, ganz anders als bei Marx, der mit Entfremdung immer ganz unmissverständlich meinte, dass den Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft ihre eigenen sozialen Beziehungen als fremde, versachlichte Gewalt gegenübertreten und sie beherrschen. Es geht hier also nicht um irgendein mysteriöses ,Eigentliches’, von dem sie ,entfremdet’ werden würden, sondern darum, dass sie nicht frei über ihren eigenen gesellschaftlichen Zusammenhang verfügen können und der Möglichkeit beraubt werden, ihre eigenen gesellschaftlichen Potenzen im Sinne allgemeiner menschlicher Emanzipation und der individuellen Entfaltung zu nutzen. Nicht so jedoch die rechte Kulturkritik, die das „abstrakte Individuum“ in der „Gemeinschaft“ versenken will und den Vorrang der „Gemeinschaft“ gegenüber „dem Gesellschaftlichen“ propagiert (vgl. Norbert Trenkle, Die Kopfgeburten des Herrn Alain de Benoist). Die extreme Rechte stellt dem Universalismus die grauenhafte Imagination einer nach völkischen Kriterien partikularisierten Welt entgegen.

Die rechte Kritik an ,Globalismus’, ,Entfremdung’ und ,Individualismus’ zielt also ganz unzweideutig nicht auf Emanzipation, sondern auf Unterwerfung der Einzelnen unter höhere Werte wie ,Volk’ und Nation, die als natürlich dargestellt werden. Diese antimodernen und antisemitischen Ressentiments, welche auch in den Schriften der sogenannten ,konservativen Revolutionäre‘ zum Ausdruck kommen, sprechen genau jenes Bedürfnis der heutigen Rechtsextremen an, führen sie in ihrem Selbstverständnis ja eine „Revolte gegen die moderne Welt“, gegen die Sinnlosigkeit des vereinzelten Daseins, gegen Rationalität und Emanzipation. So meint auch der bereits mehrfach erwähnte Stefan Magnet: „Die Natur war etwas Göttliches. Bei unseren Vorfahren hatte die Natur eine Seele“. Diese Sehnsucht nach dem „Wahren“ und „Natürlichen“, wo die Widersprüche und Friktionen der modernen Arbeitsgesellschaft auflöst werden sollen, mündet in die durch den Staat autoritär versöhnte „Volksgemeinschaft“.

Diese wieder zu errichtende, „sich selbst heilende Welt“ sei es, die eine „Alternative“ zum „auf Ausbeutung basierenden Globalismus“ und zur inhaltsleeren, „hedonistischen Brot-und-Spiele-Spaßgesellschaft“ darstelle, wie Magnet ausführt. Die sich „selbst heilende Welt“ sehen auch die neofaschistischen ,Identitären’ in der Enge des nationalstaatlichen Zwangskollektivs. So schreiben sie auf ihrer neuen Kampagnenseite über den Coronavirus: „Das wahre Virus heißt ,Globalisierung’ und schuld an der globalen Pandemie ist die schöne, neue grenzenlose Welt, an der die Eliten arbeiten. Das ‚Gegenmittel‘ sind Heimat und der souveräne Nationalstaat.“ Und da es nun auch keine „Fremdarbeiter“ mehr gäbe, meldet sich auch Martin Sellner freiwillig als Erntehelfer, um seinen Dienst auf der ,Scholle’ für die Nahrungsmittelsicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zu versehen, wie er einen entsprechenden Aufruf von Burschenschaftern auf YouTube kommentiert. (Alexander Winkler, 6.5.2020)

Fortsetzung folgt.

Alexander Winkler (FIPU) forscht zu Rechtsextremismus. Er ist Mitherausgeber von "Untergangster des Abendlandes".

Literaturhinweis

  • Oliver Geden "Rechte Ökologie – Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus".

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