In ihrer Altbauwohnung in Wien-Meidling stellt Mirjam Zaidan Turbane her. Mit ihrer Familie genießt sie in Zeiten von Corona ihren winzig kleinen Klopfbalkon, auf dem man die Beine nicht ausstrecken kann.

"Wir sind 2015 in diese Wohnung an der Meidlinger Hauptstraße gezogen. Unsere 45 Quadratmeter große Wohnung im siebten Bezirk war uns nach der Geburt unseres Sohnes Benjamin zu klein geworden. Meine Mama wohnte damals schon in Meidling, und ich wollte in ihre Nähe, weil ich schnell bemerkte, wie gut es uns in diesem neuen Lebensabschnitt tut, die Großeltern in der Nähe zu haben.

"Ich bin verliebt in den Charme von Altbauten." Mirjam Zaidan mit ihrer Familie im Wohnzimmer.
Foto: Lisi Specht

Benni war gerade geboren, und ich habe bei der Wohnungssuche viel übersehen, wie sich später herausstellte. Die Qualitäten habe ich nämlich erst nach dem Einzug bemerkt. Etwa dass wir hier wunderschönes Fischgrätparkett haben und die Türen samt Wandverkleidung wunderbar aussehen. Es ist ein Altbau, der sehr schön renoviert wurde. Ich bin in Frankfurt aufgewachsen und habe dort immer in Häusern aus den 1950er- oder 1960er-Jahren gelebt. Seit ich in Wien wohne, bin ich ganz verliebt in den Charme von Altbauten. Durch die tollen Raumhöhen hat man das Gefühl, dass man schwebt. Es gibt nichts, was einen einengt. Das tut meiner Kreativität gut.

Unsere Wohnung ist ohne Balkon 79 Quadratmeter groß, mit Balkon sind es 79,90. Wir haben einen winzigen Klopfbalkon, auf dem ein kleiner Tisch und zwei Sessel Platz haben. Wir können einander schräg gegenübersitzen, aber nur, wenn keiner die Beine ausstreckt. Zu Corona-Zeiten ist aber sogar so ein Balkon Luxus.

Ich würde unseren Stil als modernen Landhausstil beschreiben. Wir haben alte Möbel von unseren Eltern übernommen, sie aber weiß angestrichen, weil sie uns in dem alten Braun nicht gefallen haben. Wir sind hell eingerichtet und haben ein türkises Sofa als Farbklecks im Wohnzimmer.

Manche der Möbel wurden von den Eltern übernommen und weiß angemalt. Mirjam Zaidans Lieblingsstück ist eine alte Bank, in der Spielsachen verstaut werden können
Fotos: Lisi Specht

Schränke haben wir so gut wie keine. Ich bin ein wenig geschädigt von den Einbauschränken, die wir in meiner Kindheit hatten. Unser ganzes Wohnzimmer in Frankfurt war im Grunde ein einziger Einbauschrank. Mein Lieblingsmöbelstück ist eine Sitzbank, die schon dem Großvater meines Mannes gehört hat. Die kann man aufklappen und darin Spielsachen verstauen.

So circa einmal im Jahr drehe ich durch. Das passiert, wenn ich die Wohnungen anderer Leute sehe und plötzlich den Eindruck habe, dass ich in unserer Wohnung dringend etwas verändern muss. Dann kommen Sachen meiner Eltern aus dem Keller und werden neu angestrichen, oder es kommt etwas wieder weg. Ja, ich bin ein bisschen ein Opfer, was das Einrichten angeht. Aber im Endeffekt fühle ich mich trotzdem immer wohl.

Ich arbeite von zu Hause aus. Ich habe lange überlegt, mir ein kleines Atelier zu mieten, als ich mich letztes Jahr selbstständig machte. Aber ich fühle mich einfach wohl zu Hause. Und hier hatte ich es untertags auch immer sehr ruhig – bisher. Das hat sich jetzt natürlich geändert, weil unser Sohn gerade nicht im Kindergarten ist und auch mein Mann Philipp von zu Hause aus arbeitet. Jetzt ist es mit der Ruhe für mich also vorbei. Dafür sind meine beiden Männer damit konfrontiert, dass überall meine Pailletten rumfliegen und Stoffe herumliegen.

Zu Hause werden auch die Turbane genäht.
Fotos: Lisi Specht

Ich komme aus einer arabischen Familie und bin mit der Überzeugung aufgewachsen, dass Gastfreundschaft einen hohen Stellenwert hat. Wir bekochen sehr gerne Gäste, auch unsere Nachbarn laden wir gerne ein. Das Wohnzimmersofa ist ein Ausziehsofa. Das war uns wichtig, damit enge Freunde und Familie auch bei uns übernachten können.

Ich bin ein Stadtmensch. Daher wäre eine Altbauwohnung mit eigener Terrasse mein Wohntraum. Sonst sind wir hier sehr happy. Und wir sind auch dankbar für die Gegend, in der wir wohnen. Meidling inspiriert mich. An jeder Ecke tut sich etwas. Wir wohnen gegenüber von einer kleinen Eisdiele. Da ist im Sommer viel los. Direkt unter unserem Fenster wird ständig musiziert. Und in der Nacht höre ich Nachtschwärmer, wenn sie aus dem U4 heimgehen. Ich habe hier keinen Autolärm, ich habe Menschenlärm. Und das finde ich schön!" (4.5.2020)