Foto: Getty Images/iStockphoto/Marco_Piunti

Kurzer Kontrollblick nach oben: Der Gleitschirm ist prall gefüllt, er droht an keinem der Enden einzuknicken. Unten kommt langsam der Hallstättersee näher, die Füße in schweren Wanderschuhen baumeln über dem Salzkammergut. Doch etwas ist anders auf diesem kurzen Paragleitflug vom Krippenstein. Anstelle der Sonne spürt man kantiges Plastik im Gesicht, es ist kein gleichmäßiges Rauschen des Fahrtwindes zu hören, sondern dudelnde Fahrstuhlmusik. Schon poppt das nächste Abenteuer in der Virtual-Reality-Brille auf: 60 Sekunden Skifahren auf dem Stubaier Gletscher. Immerhin: Der Schnee knirscht hörbar unter den Brettern.

Gleitschirmflug im Salzkammergut als 360-Grad-Video.
Urlaub in Österreich

Das virtuelle Reisen hat in der Corona-Krise einen ordentlichen Schub bekommen. Die Anzahl der Videos und Apps, mit denen man Österreich digital erkunden kann, ist in den vergangenen Wochen explodiert. Die Österreich-Werbung setzt sie ebenso ein wie Tourismusregionen, Hotels, Nationalparks und Museen. Zukunftsforscher sagten diese Entwicklung schon länger voraus, doch ohne die Notwendigkeit, von der Couch aus die Welt zu erkunden, ließ die Zukunft bisher auf sich warten.

Fröhlicher Ausblick

Tristan Horx, der wie Vater Matthias dem Brotberuf der Zukunftsprognose nachgeht, hat altbekannte Zweifel anzumelden: "Das visuelle Erleben ist nur ein Aspekt von vielen sinnlichen Eindrücken, die wir unterwegs machen", sagt er über die Defizite des Reisens ohne Ortswechsel. Eine Einschätzung, die sämtliche Reiseveranstalter und -büros teilen. Sie setzen die VR-Brillen bis dato nur als Buchungsanreiz ein. Die TUI etwa versteht die Technik als Teil der Beratung, als erweiterte Produktwahrheit, bei der Kunden klarer sehen, was sie bekommen, wenn sie die reale Reise buchen.

Die Krimmler Wasserfälle, virtuell erlebt.
Urlaub in Österreich

Für das langersehnte, echte Verlassen des Homeoffice in diesem Sommer kann die virtuelle Realität auch etwas leisten: Sie bietet einen fröhlichen Ausblick auf den vermutlich alternativlosen Urlaub in Österreich. Oft sind die Filmchen sogar ein hilfreiches Planungstool und können bei Entscheidungen helfen: Ob man etwa wirklich spitz ist auf den zweiwöchigen Aufenthalt im Kinderhotel, lässt sich nach dem virtuellen Rundgang durch das Bällebad im Keller deutlich besser beurteilen. Und ob der Wörthersee seinem mondänen Ruf als Yachtklubterrain gerecht wird – mal schauen. Immerhin kann man derzeit schon virtuell mit dem Linienschiff MS Velden auf dem Gewässer herumschippern.

Selbst kleinere Gemeinden wie Heiligenblut am Großglockner haben die Virtualisierung ihres bald wieder in Echt verfügbaren touristischen Angebots groß angelegt. Per Computer, Smartphone, Tablet oder VR-Brille kann man sich fast völlig frei im gesamten Ortsgebiet bewegen. Wem danach die Energie für den Aufstieg zur Kaiser-Franz-Josef-Höhe fehlt, der steigt einfach in den virtuellen Helikopter und lässt sich hinfliegen.

Tiefer eintauchen

Verantwortlich für diese realistischen Panoramen ist CS4Web. Die kleine Villacher Firma hat sich darauf spezialisiert, Ausflugsziele digital in 3D zu zeigen. Ursprünglich war die Technologie dafür gedacht, Immobilienmaklern Wohnungsbesichtigungen selbst dann zu ermöglichen, wenn etwa Ausgangssperren das unmöglich machen. Mittlerweile boomt sie auch im touristischen Bereich – bis zum Gipfelkreuz des Großglockners kommt man damit, ohne auch nur einen Schritt getan zu haben.

Ein weiteres beliebtes Ausflugsziel: der Neusiedler See.
Urlaub in Österreich

Für viele dieser Panoramen, die über die Website des Tourismusverbands, des Hotels oder über Youtube abspielbar sind, lohnt sich die Anschaffung einer Billigsdorfer VR-Brille. Geräte, in die man vorne das Smartphone einlegt, sind mittlerweile um weniger als 50 Euro zu bekommen. Damit taucht man noch ein wenig tiefer in die Landschaften oder Räume ein und bewegt sich darin mit dem simplen Schwenk des Kopfes.

Trotzdem hat das virtuelle Reisen mit solchen Brillen noch einige Kinderkrankheiten: Nicht jeder Kurztrip ist mit jedem Smartphone kompatibel, und die nötigen Einstellungen dauern oft länger als das Video selbst. Bis man alle getätigt hat, ist die Ausgangssperre schon fast wieder aufgehoben. (Sascha Aumüller, 2.5.2020)