Gelächter, gefolgt von Hustenkrämpfen und täuschend echt klingenden Erstickungsanfällen.

Foto: Philipp Traun

Es ist 7:30 Uhr. "Wenn ich so weiter trinke, bin ich bald tot", sagt Patientin K., überlegt, Regen prasselt auf das Vordach des Raucherbereichs und sie überlegt weiter und sagt: "dann bin ich nicht nur tot, sondern verliere auch alles". Niemand lacht. Fast sämtliche nikotinabhängigen Patienten der Station I versammeln sich vor dem Frühstück unter dem Vordach.

Ich zähle 17 Patienten. Gefühlt sind es 170. Die Versammlung klingt wie eine A Cappella-Aufführung aus dem Liederzyklus Chronische Bronchitis. "Aber wenn du tot bist, ist es doch wurscht, ob du alles verlierst", sagt Patient J. und bläst mir seinen Rauch ins Gesicht. "Egal", sage ich. J. ignoriert mich. "Kommt darauf an in welcher Reihenfolge", gibt Patientin L. zu bedenken. Noch immer lacht niemand.

"Meiner Meinung nach", hebt Patient R. seine heisere Akademikerstimme und streckt den Zeigefinger, "bedingt das eine das andere. Hast du alles verloren, bist du eigentlich schon tot. Und umgekehrt". "Also ich hab zwar alles verloren, lebe aber noch immer", gibt Patientin A., eine der wenigen Spielsüchtigen auf unsrer kleinen Station, zurück.

"Hm", überlegt Patient R. und geht in sich. "Aber du trinkst im Moment eh nicht", nimmt Patient B. Patientin Ks. Faden wieder auf. "Ja, leider", sagt Patient K. Gelächter, gefolgt von Hustenkrämpfen und täuschend echt klingenden Erstickungsanfällen. Dann schweigt die Versammlung. Regen prasselt auf das Vordach. Es ist 7 Uhr 34. (Philipp Traun, 2.5.2020)