Über eine Million Menschen wurden hierzulande seit der Corona-Krise zur Kurzarbeit angemeldet, mehr als eine halbe Million sind arbeitslos. Für AMS-Mitarbeiter wie Ena Musa heißt das mehr Arbeit, erzählt die 29-Jährige im Jobgespräch der Serie "Stimmen der Pandemie".

Ena Musa arbeitet seit fünf Jahren als Beraterin beim Arbeitsmarktservice in Wien.
Foto: thaler

"Corona hat wirklich alle getroffen: Bei uns haben sich Akademikerinnen, Personen mit Pflichtschulabschluss, Angestellte, die seit 20 Jahren im selben Job waren, 22-Jährige oder 58-Jährige arbeitslos gemeldet. In der Menge gab es das noch nie in den fünf Jahren, seit ich als Beraterin beim Arbeitsmarktservice, AMS, arbeite.

In den ersten Wochen der Corona- Maßnahmen haben wir auf Hochtouren tausende Arbeitslosenmeldungen per E-Mail, Telefon oder Online-Formular bearbeitet. Ich bezeichne das als ‚Grundversorgung‘: Wir erheben, seit wann die Personen arbeitslos sind, was die letzten Dienstverhältnisse waren, schicken die Anträge und erklären ihnen, dass sie dafür nicht extra herkommen müssen.

Nur wenige kommen trotzdem, ein Security lässt sie einzeln hin ein, die Kollegen in der Infozone sitzen hinter Plexiglas. Die Kunden machen sich Sorgen, dass ihr Antrag nicht ankommt oder sie kein Geld erhalten, weil sie eine Frist versäumt haben.

Sorgen nehmen

Wichtig ist dabei, den Menschen die Sorgen zu nehmen, sie über die weiteren Schritte zu informieren, sodass sie sich unterstützt und gehört fühlen. Ich verstehe, dass gerade Mitte März viele Angst hatten, die April-Miete nicht bezahlen zu können. Deshalb hatte ich den Anspruch, sie nicht ewig warten zu lassen, die Anträge rasch zu versenden. Ich habe mehr gearbeitet als sonst.

Dabei war immer klar, wie wir vorzugehen hatten, weil schnell neue Anweisungen für uns da waren. Gerade am Anfang kamen stündlich Änderungen dazu, die wir im Team schnell umsetzen mussten. Das hat uns zusammengeschweißt, auch wenn wir auf Abstand miteinander arbeiten. Und wenn es doch länger dauert wegen der vielen Anträge, zeigen die meisten Kunden Verständnis.

Mittlerweile ist die Welle an Arbeitslosenanträgen abgeflacht. Viele haben sich eine Woche später wieder gemeldet, dass ihr Dienstgeber die Kündigung zurückgezogen und Kurzarbeit angemeldet hat. Das bedeutet für uns zwar mehr Arbeit, es ist aber besser, wenn sie ihren Job behalten können und die Firmen nicht schließen müssen. Die Anträge auf Kurzarbeit steigen deutlich, aber die bearbeite ich nicht.

Beratung per Telefon

Persönliche Beratungsgespräche, wie ich sie führe, haben wir bereits Mitte März ausgesetzt, das regle ich nun alles per Telefon. Es funktioniert überraschend gut, aber es ist nicht dasselbe: Viele Infos gehen verloren, die man im persönlichen Gespräch erfährt. Man kann keine Beziehung aufbauen, weiß nicht, wie man die Person individuell am besten betreut, welche Unterstützung sie bei der Jobsuche braucht.

Mir macht es mehr Spaß, wenn die Kunden, wie vor Corona-Zeiten, zum persönlichen Beratungstermin kommen. Das kommt alles noch auf mich zu, wenn sich die Situation beruhigt hat und ich mit Arbeitssuchenden gemeinsam im Büro eine Perspektive erarbeite – falls sie nicht glücklicherweise nach der Krise nicht doch wieder eine Stelle bei ihrem vorigen Arbeitgeber bekommen." (Selina Thaler, 5.5.2020)