Straches (inzwischen von diesem gelöschtes) Posting über Armin Wolf und den ORF.

Foto: Screenshot Facebook

"Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden": Das postete der damalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Anfang 2018 mit dem Vermerk "Satire" und einem Smiley auf Facebook über einem Bild von ORF-Anchor Armin Wolf. Nun hat der Oberste Gerichtshof (OGH) auf Klage des ORF entschieden, dass Facebook dieses Posting hätte löschen müssen, als der ORF darauf aufmerksam gemacht hat.

Das Höchstgericht bestätigte damit einstweilige Verfügungen und Bestätigungen durch die zweite Instanz gegen Facebook. Heinz-Christian Strache hat sich nach Wolfs Klage in einem Vergleich mit dem "ZiB 2"-Anchor auf Facebook und per "Krone"-Inserat entschuldigt und das Posting gelöscht.

Der ORF verlangte von Facebook die Löschung einerseits wegen Verletzung von Urheber- und Werknutzungsrechten, andererseits wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten (wie im Verfahren gegen Strache).

OGH verweist auf Glawischnig-Entscheidung

Der Oberste Gerichtshof verweist nun auf eine Entscheidung des EU-Gerichtshofs zugunsten von Eva Glawischnig, der früheren Grünen-Chefin, wonach Facebook verpflichtet werden kann, inkriminierte Postings und sinngleiche Posts weltweit zu löschen.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte, dass die Verpflichtung auch für sinngleiche Postings gilt. Eine durch Unterlassungsanordnungen begründete Überwachungspflicht darf auch künftige Rechtsverletzungen, auch durch andere Nutzer, erfassen.

Die weltweite Löschung aber schränkt er in dieser Entscheidung ein: Der ORF habe diese in seiner Klage nicht ausdrücklich gefordert. Und die Werknutzung sei an sich ein territoriales Recht.

Im Hauptverfahren könnte eine internationale Geltung noch einmal anders behandelt werden, die bisher ergangenen Entscheidungen beziehen sich auf einstweilige Verfügungen.

Facebook wird in der Sache von Wolf Theiss Rechtsanwälte vertreten, der ORF von der Kanzlei Korn.

Weltweite Wirkung "widersprüchlich gelöst"

Medienrechtsanwältin Maria Windhager, sie vertritt Glawischnig gegen Facebook und seit vielen Jahren den STANDARD, begrüßt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs "grundsätzlich sehr". Mit einem Aber: "Die Frage der weltweiten Geltung bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten wurde aber widersprüchlich gelöst. Ich bin schon gespannt, wie der OGH den Fall Glawischnig beurteilen wird, weil hier ein anderer Senat zuständig ist."

Der Oberste Gerichtshof verweist zunächst auf territoriales Urheberrecht, aber weltweiten Persönlichkeitsschutz. Dann aber übertrage der Senat in Sachen ORF gegen Facebook die Rechtsprechung zum sogenannten Immaterialgüterrecht auf den Persönlichkeitsschutz. Das sei widersprüchlich.

"Zielgerichtete Überwachungsmaßnahmen zulässig"

In der Begründung des OGH heißt es: Für Access-Provider und Host-Provider bestehe keine allgemeine Überwachungspflicht über von ihnen übermittelte oder gespeicherte fremde Inhalte. "Sie dürfen nicht dazu verpflichtet werden, von sich aus aktiv nach rechtswidrigen Inhalten zu suchen. Die Anordnung zielgerichteter Überwachungsmaßnahmen der nationalen Behörden und Gerichte ist aber zulässig. Dazu gehören insbesondere die Unterlassungsanordnungen der Zivilgerichte, die auch künftige Rechtsverletzungen und auch solche durch andere (dritte) Nutzer erfassen dürfen."

Der OGH: "Unterlassungsanordnungen können sich nicht nur auf den ursprünglichen rechtswidrigen Inhalt, sondern auch auf wortgleiche oder sinngleiche Inhalte beziehen. Sinngleiche Inhalte sind solche, die im Kern dem als rechtswidrig beurteilten Inhalt entsprechen. Die 'Kern-Übereinstimmung' muss sich dabei auf den ersten laienhaften Blick ergeben oder durch technische Mittel (zum Beispiel eine Filtersoftware) feststellbar sein. Zudem müssen die für das Rechtswidrigkeitsurteil maßgebenden Kriterien in der Unterlassungsanordnung ausreichend bestimmt angegeben werden. Werden diese Grundsätze eingehalten, so ist die Unterlassungsanordnung ausreichend bestimmt und nicht überschießend und schafft für den Provider keine unverhältnismäßige Verpflichtung."

Das Höchstgericht: "Einer Unterlassungsanordnung darf grundsätzlich auch weltweite Wirkung zuerkannt werden. Die Schranke für eine weltweite Anordnung besteht darin, dass die nationalen Gerichte im Rahmen ihrer Entscheidung auf die jeweiligen international anerkannten Rechtsgrundsätze Bedacht zu nehmen haben. Bei immaterialgüterrechtlichen Ansprüchen gilt dies für den Grundsatz der Territorialität. Dieser Grundsatz beschränkt die Reichweite der Unterlassungsanordnung auf den Schutz im Inland. Bei räumlich nicht von vornherein nach dem Territorialitätsprinzip beschränkten Unterlassungspflichten ist eine deutliche Klarstellung des Klägers notwendig, wenn er einen über Österreich hinausgehenden Schutz in Anspruch nehmen will, widrigenfalls – mangels entsprechender Anhaltspunkte – angenommen werden muss, dass nur Schutz für Österreich angestrebt wird."

Nach diesen Grundsätzen hätten die Vorinstanzen die von Facebook bekämpften Unterlassungsanordnungen zu Recht erlassen, "wobei sich diese auf den geltend gemachten Schutz in Österreich beziehen". (fid, 1.5.2020)