Nach dem Shutdown folgt nun die langsame Rückkehr in die "neue Normalität". Es besteht das Risiko, dass diese gesellschaftliche Herausforderung wieder als reines "Frauenproblem" verstanden wird.

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Die Unabhängigkeit von Frauen wird vielerorts dem Coronavirus zum Opfer fallen, und viele Paare werden in die 1950er-Jahre zurückkatapultiert werden. Daher dürfen wir in der aktuellen Krise Genderthemen nicht als Nebensächlichkeit abstempeln. Das schrieb die britische Journalistin Helen Lewis im März dieses Jahres.

Prophetische Worte – besonders für Österreich, das noch immer ein sehr konservatives Frauenbild verinnerlicht hat. Zwar gab es in den letzten Jahren einen rosigen Hoffnungsschimmer am Horizont: Viele Unternehmen hatten begonnen, Gender-Diversität als strategisch wichtiges Thema zu betrachten – im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsdiskussionen, aber vor allem auch aus dem Blickwinkel der Arbeitgeberattraktivität. Zunehmende Talenteknappheit am Arbeitsmarkt und die Erwartungen der jüngeren Generationen in Bezug auf Sinn, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit machten die vielen gut ausgebildeten Frauen für die Unternehmen zu einer wichtigen Zielgruppe. Dass Führungsteams, in denen unterschiedliche Diversitätsaspekte repräsentiert sind, nachweisbar bessere Erfolge erzielen und Innovation stärken, war für viele ein positiver Nebeneffekt.

Gleichzeitig sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Österreich seit Jahrzehnten unverändert und stehen der Vereinbarkeit von Beruf und Karriere von Frauen im Weg. Halbtagsschule, frühe Selektion in der Bildungslaufbahn und fehlende Betreuungsplätze für die Kleinsten drängen die Frauen in die Teilzeit, nehmen Karrierechancen und bewirken große wirtschaftliche Nachteile. Diese Defizite zeigen sich in der Krise besonders massiv – und sind damit auch eine Gefahr für die positiven Tendenzen der letzten Jahre.

Auf die Barrikaden?

Man applaudiert in diesen Tagen öffentlichkeitswirksam den vielen Frauen, die in systemrelevanten Berufen wie der Pflege, dem Gesundheitsbereich oder dem Handel schwere und schlecht bezahlte Arbeit für uns alle leisten. Wird das zu einer Neubewertung dieser Berufe führen? Dafür müssten diese systemrelevanten Frauen wohl erst aus dem System und auf die Barrikaden steigen. In anderen Ländern tun sie dies bereits. Denn wie viel unbezahlte Arbeit derzeit hauptsächlich von Frauen geleistet wird, darüber schweigt Österreich. 1,1 Millionen Kinder haben derzeit keine Schule, 25 Prozent der erwerbstätigen Paare haben Kinder unter sechs Jahren, 50 Prozent Kinder unter zwölf. Bei den Alleinerziehenden sieht es ähnlich aus.

Wo es der Job und das Unternehmen ermöglichen, sind viele Frauen und Männer ins Homeoffice übersiedelt. Deutsche Studien belegen, dass Frauen im Homeoffice nicht nur eine Stunde mehr Erwerbsarbeit pro Tag leisten, sondern sich auch zwischen ein bis drei Stunden länger um Kinder kümmern. Im Vergleich dazu steigt die Beteiligung der Männer an Familienarbeit im Homeoffice nicht.

Man bedenke: Zum Zeitpunkt dieser Studien musste die Unterrichtsarbeit noch nicht von den Familien übernommen werden. Hierzulande geht man stillschweigend davon aus, dass überwiegend die Frauen in der Corona-Krise diese Aufgaben schultern.

Nach dem Shutdown folgt nun die langsame Rückkehr in die "neue Normalität". In dieser Phase werden wir schrittweise in die Büros zurückkehren. Was heißt das für die vielen betroffenen Frauen in puncto Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Es besteht das Risiko, dass diese gesellschaftliche Herausforderung wieder als reines "Frauenproblem" verstanden wird. In vielen Unternehmen werden die Frauen Erwerbsarbeitsstunden reduzieren müssen, um allen Anforderungen gerecht zu werden – mit den altbekannten Folgen für Einkommen und Karriere. Den warnenden Worten von Helen Lewis zum Trotz ist auch zu befürchten, dass die Beschäftigung mit Gender-Diversität in den Unternehmen zukünftig als "Luxusthema" abgetan wird. Aus vergangenen Krisen wissen wir, dass in engeren Arbeitsmärkten vor allem die Frauen verlieren.

Gender-Diversität stärkt Organisationen

Aber: Gender-Diversität ist jetzt wichtiger denn je, da sie die Innovationskraft und Widerstandsfähigkeit von Organisationen stärkt. Ewig dagewesene Monokulturen im unternehmerischen Denken und Handeln werden keine Antworten auf die vielschichtige Herausforderung der Pandemie liefern. Und nur resiliente Unternehmen werden die globale Wirtschaftskrise überstehen.

Was ist also jetzt zu tun? Zum einen muss die Politik sicherstellen, dass Kindergärten wieder normal geöffnet sind und Schulunterricht regulär stattfindet. Gleichzeitig darf in diesem Schuljahr kein Kind sitzenbleiben und keinem Kind die Chance auf eine weiterführende höhere Schule verwehrt werden. Nur so kann der Druck von den Familien genommen werden.

Auch einige Unternehmen zeigen schon vor, wie es gehen kann, und unterstützen mit Betreuungsangeboten für die Kinder sowie mehr Flexibilität für Väter und Mütter. Es braucht von allem mehr und insbesondere für die Sommermonate hochwertige, leistbare Betreuungsangebote.

Frauen immer im Auge haben

Die Unternehmen müssen jetzt bei allen zu treffenden Entscheidungen die Auswirkungen auf das Beschäftigungsausmaß von Frauen und deren Karrierechancen im Auge behalten – sowohl bei Kurzarbeitsentscheidungen als auch bei Beförderungen. Auch Projekte zur Förderung des Frauenanteils in Führungspositionen müssen weiterlaufen. Sie sind ein wichtiges Signal für die Belegschaft und haben positive Effekte auf Unternehmenskultur, Innovationskraft und Widerstandsfähigkeit.

Last but not least sind Frauen und Männer selbst gefordert: Sie dürfen nicht einfach unkritisch und widerspruchslos alles übernehmen, was man ihrer Rolle und dem anderen Geschlecht so zuschreibt. Jede und jeder Einzelne ist aktuell gefordert, dass die aktuelle Krise für Frauen nicht gleichbedeutend mit einem Rückschritt in die 1950er-Jahre wird! (Gundi Wentner, 2. 5. 2020)