Info an den Chef: Russlands Premier Michail Mischustin informiert Präsident Wladimir Putin über seine Erkrankung.

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Einen Glückwunsch zum Tag der Arbeit sendete Michail Mischustin am 1. Mai noch an alle Russen ab. Selbst ist er aber nicht mehr bei der Arbeit. Krankgeschrieben! Am Donnerstagabend meldete er sich bei seinem Chef, Präsident Wladimir Putin, wegen einer Infektion mit dem Virus Sars-CoV-2 ab. "Gerade eben habe ich erfahren, dass die Corona-Tests, die ich abgegeben habe, ein positives Ergebnis zeigen", teilte er Putin per Video-Schalte mit. Daher werde er sich nun selbst isolieren, um niemanden anzustecken, fügte er hinzu.

Nähere Angaben zu seinem Gesundheitszustand machte der 54-Jährige nicht. Doch nach Angaben mehrerer russischer Medien soll der Premier 39 Grad Fieber haben. Mischustins Pressesekretär Boris Beljakow bestätigte noch am Abend, dass sich sein Chef im Regierungskrankenhaus in ärztliche Behandlung begeben wird.

Umfeld unter Quarantäne

Wo sich Mischustin angesteckt hat und wen er möglicherweise selbst infiziert hat, ist noch nicht bekannt. Allerdings hatte der erst im Jänner berufene Premier in den letzten Wochen persönliche Kontakte weitgehend zurückgefahren. Besprechungen und Konferenzen wurden oft im Videoformat durchgeführt. Alle Kontaktpersonen Mischustins werden unter Quarantäne gestellt.

Mischustin selbst wandte sich bei Bekanntgabe seiner Krankheit noch einmal mit einer Warnung an die Bevölkerung. Er bat die Russen um Vorsicht und Einhaltung der Kontaktbeschränkungen, da das Coronavirus sich sehr rasch verbreite. Tatsächlich steuert das Land gerade auf den Höhepunkt der Krise zu: Wurden am Mittwoch 5.841 Neuinfektionen vermeldet, waren es am Donnerstag schon 7.099 und am Freitag gar 7.933. Insgesamt hat Russland damit schon 114.000 Corona-Fälle mit bislang 1.169 Toten.

Höhepunkt im Mai erwartet

Die jüngsten Zahlen widerlegen wohl auch die optimistische Prognose von Veronika Skworzowa, der Chefin der russischen Gesundheitsbehörde. Skworzowa hatte am Donnerstag im Fernsehen erklärt, dass Russland das Plateau bei den Ansteckungen schon in der letzten Woche erreicht habe. Die meisten Experten hingegen sehen den Höhepunkt der Infektionswelle Mitte Mai.

In der Regierung wird vorerst Mischustins Stellvertreter Andrej Beloussow die Geschäfte für ihn weiterführen. Beloussow ist Vizepremier für Wirtschaftsfragen und war vorher bereits Wirtschaftsminister und später Wirtschaftsberater Putins. Angesichts der schweren ökonomischen Verwerfungen, in die Russland aufgrund der Corona- und Ölpreiskrise gerutscht ist, machten bereits Spekulationen die Runde, dass Beloussow den Posten auf Dauer behält.

Gerüchte um Mischustins Absetzung

Das Internetmedium Medusa annoncierte unter Berufung auf einen Beamten aus der Präsidialverwaltung Mischustins Abgang. "Sie haben ihn als früheren Steuerbeamten, als Mann, der weiß, wie und wohin die Geldströme fließen, für etwas ganz anderes ernannt: um die Ausgaben bei der Verwirklichung der nationalen Projekte zu kontrollieren, als noch Geld da war. Jetzt ist die Lage völlig anders, die Wirtschaft liegt wegen der Pandemie lahm und muss angeschoben werden. Dafür ist Mischustin nicht der Mann", zitiert das Medium den anonymen Beamten.

Tatsächlich war Beloussow schon bei der Ernennung der neuen Regierung zu Jahresbeginn als möglicher starker Mann im Kabinett ausgemacht worden. Er galt als Vordenker der ambitionierten Wirtschafts- und Entwicklungspläne, die die russische Führung sich für die nächsten Jahre vorgenommen hatte.

Aus dem Kreml folgte inzwischen allerdings ein Dementi. Putins Sprecher Dmitri Peskow nannte die Gerüchte um eine Versetzung des Regierungschefs nach dessen Gesundung "Quatsch". Putin selbst hatte Mischustin bereits am Abend eine schnelle Genesung gewünscht und ihn gebeten, ihn telefonisch aus dem Krankenhaus über seinen Zustand zu unterrichten. (André Ballin, 1.5.2020)