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Dr. Anthony Fauci zeigt sich zur Abwechslung optimistisch.

Foto: Reuters/Carlos Barria

In letzter Zeit kam es nur selten vor, dass Dr. Anthony Fauci optimistische Töne anschlug. Der Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten war der allseits anerkannte Fachmann, der immer wieder zu dämpfen hatte, wenn Präsident Donald Trump mit seinen Spekulationen über vermeintliche Wundermittel gegen das Coronavirus offensichtlich übertriebene Hoffnungen weckte. Umso mehr Aufmerksamkeit ist ihm gewiss, nachdem er sich am Mittwoch auf ein Sofa im Oval Office gesetzt und Experimente mit dem Medikament Remdesivir als erfolgversprechenden Weg zur Behandlung von Corona-Kranken charakterisiert hat.

Die ersten Ergebnisse von Untersuchungen, die in der Regie seines Instituts durchgeführt wurden, seien "sehr positiv" zu bewerten, sagte der Immunologe, der amerikanische Regierungen schon in den Achtzigerjahren beriet, als die Aids-Epidemie für akute Verunsicherung sorgte. Remdesivir habe eine "eindeutige, signifikante, positive" Wirkung bei der Verringerung der Zeit bis zur Genesung gezeigt. Zwar sei es kein K.-o.-Schlag im Duell mit dem Coronavirus, gleichwohl stehe nun fest, "dass eine Arznei das Virus blockieren kann".

Schnellere Genesung mit dem Medikament

Patienten, die an Covid-19 erkrankt waren, war in Kliniken Remdesivir injiziert worden, den ersten laut amerikanischen Medienberichten bereits im Februar. Der Studie zufolge waren diejenigen, die das Virus überlebten, nach durchschnittlich elf Tagen wieder gesund, während der Genesungsprozess ohne das Medikament fünfzehn Tage dauerte. Auch die Sterblichkeitsrate lag nach den Angaben Faucis etwas niedriger: bei den mit Remdesivir Behandelten bei acht, bei den anderen bei elf Prozent. Insgesamt 1.063 Patienten wurden in die Tests einbezogen.

Der angesehenste Epidemiologe der USA vergleicht die Entwicklung mit der Suche nach Medikamenten im Ringen mit der Immunschwächekrankheit Aids. 1986, blendet er zurück, habe mit dem HIV-Medikament AZT erstmals ein Mittel zur Verfügung gestanden, das zwar zunächst keinen spektakulären Durchbruch bedeutete, wohl aber einen Anfang, auf dem man aufbauen konnte. Ähnliche Erfahrungen, prophezeit Fauci, werde man heute wahrscheinlich mit Remdesivir machen: "Es öffnet Türen." .Je mehr Wissenschafter, je mehr Unternehmen sich an den Forschungen in die eingeschlagene Richtung beteiligten, umso bessere Resultate werde man sehen.

Medikament sucht Einsatzgebiet

Die Biotechnologie-Firma Gilead Sciences, angesiedelt in Foster City im Silicon Valley, hatte den Wirkstoff ursprünglich entwickelt, um Hepatitis C zu heilen – allerdings ohne Erfolg. Später wurde er in afrikanischen Ländern gegen Ebola eingesetzt, und auch in diesem Fall blieben die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück. Gleichwohl zeigen Tierversuche im Labor, dass Remdesivir beim Kampf gegen Coronaviren, die sowohl das 2012 auf der Arabischen Halbinsel entdeckte Middle East Respiratory Syndrome (Mers) als auch das 2002 erstmals in China festgestellte Schwere Akute Respiratorische Syndrom (Sars) verursachten, Wirkung erzielt. Da zu der Zeit kein anderes Medikament in Sicht war, durfte es Gilead ab Ende Jänner für Tests in Zusammenhang mit Covid-19 ausliefern. Eine Zulassung durch die zuständige amerikanische Behörde, die Food and Drug Administration, steht allerdings noch aus.

Kritik an Vorgehensweise

So zuversichtlich Fauci auf einmal klingt, skeptische Stimmen sind nicht zu überhören. Es sei ungewöhnlich, Resultate medizinischer Untersuchungen auf der politischen Bühne des Weißen Hauses zu präsentieren, bevor dies in Fachkreisen geschehe, kritisiert Dr. Steve Nissen, ein Kardiologe aus Cleveland, unter dessen Aufsicht bereits dutzende klinische Studien durchgeführt wurden.

Einem Papier zufolge, das am Mittwoch in der Ärztezeitschrift "The Lancet" veröffentlicht wurde, endeten Versuche mit Remdesivir in chinesischen Krankenhäusern mit einer Ernüchterung. Patienten, die damit behandelt wurden, waren nach 21 Tagen genesen, bei anderen dauerte es nur zwei Tage länger. Da gerade einmal 237 Kranke einbezogen wurden, knapp ein Viertel der amerikanischen Zahl, messen Experten wie Fauci den Erkenntnissen aus China allerdings eine vergleichsweise geringe Aussagekraft bei. (Frank Herrmann, 1.5.2020)