Von der Kostenseite her betrachtet dürfte vieles bleiben, das sparen hilft: Bürofläche, Reinigungskosten, Gehaltskosten. Homeoffice wird keine Sonderleistung für Privilegierte mehr sein.

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Fast 600.000 Menschen in Österreich sind arbeitslos. Tausende haben ihre Beschäftigung verloren. Mehr als eine Million sind in Kurzarbeit. Homeoffice ist Alltag. Die Covid-19-Maßnahmen der Regierung haben quasi über Nacht eine radikal andere Arbeitswelt gebracht. Gefühlt alles hat sich verändert, ist hinter Plexiglas, Masken und Zutrittsmarkierungen gepackt.

Seit fast zwei Monaten sitzen die Arbeitskollegen zu Hause, ebenso die Vorgesetzten. Schnell einmal auf ein paar Worte vorbeischauen, kurz aufmunternd zuzwinkern, einen Keks rüberreichen – das ist schon lange nicht mehr möglich. Distanzhalten hat Hochkonjunktur – per Video, im Chat, auf der Plattform.

Abseits der Szenarien der Wirtschaftsforscher zum volkswirtschaftlichen Einbruch (prognostiziert werden für heuer zwischen fünf und sieben Prozent Minus nebst gewaltigem Budgetdefizit) stellt sich die Frage: Was wird vom Corona-Modus bleiben, was wird ins künftige Arbeiten mitgenommen? Bisher waren so gut wie alle gezwungen anders zu werken, mit teils guten, teils fast unerträglichen Konsequenzen. Was wird bleiben?

Werden Vorgesetzte etwa so nett und verständnisvoll bleiben, wie Trainer und Berater es in den vergangenen Wochen in Webinaren zu virtuellem Führen gelehrt haben? Wird es beispielsweise selbstverständlich bleiben, vor dem Abkippen von Arbeitsaufträgen Interesse und Mitgefühl für den Mitarbeiter zu zeigen? Haben sich diese Vorgesetzten nun endlich daran gewöhnt, mit ihren Teams vertrauensvoll umzugehen, statt mit Mikromanagement und Anwesenheitskontrolle vieles kaputtzumachen? Kommen Mitarbeiter mit Eigenverantwortung und Selbstorganisation in vereinzelter Arbeit auf vielen technischen Kanälen gleichzeitig zurecht? Wird die teils holprige technische Infrastruktur der vergangenen Wochen geglättet, wird die IT-Ausstattung Österreichs endlich modernisiert?

Billiger, also haltbarer

Von der Kostenseite her betrachtet dürfte vieles bleiben, das sparen hilft: Bürofläche, Reinigungskosten, Gehaltskosten. Homeoffice wird keine Sonderleistung für Privilegierte mehr sein. An physischen Schutz und mehr Distanz am Arbeitsplatz werden wir uns ebenso gewöhnen (müssen). Aber bedeutet Sparen auch, dass Themen wie Diversität, Gleichstellung, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit wieder an den Rand gedrängt werden?

Die schnelle Digitalisierung der Geschäftswelt (Video statt Kundenbesuch, weitere Automatisierung der Geschäftskontakte) ist jedenfalls vollzogen und wird wohl bleiben. Die ins Stocken geratenen Stellenausschreibungen werden wohl zum Großteil wiederholt – aber wie? Als unbefristete Vollzeitpositionen oder, angesichts der großen Unsicherheiten, eher als atypische Beschäftigungsverhältnisse? Welche "Nachzieher" sind für all das im Arbeitsrecht zu machen?

Unternehmen und Organisationen werden sich jedenfalls neu aufstellen (müssen) und sehen, was sie aus der Pandemiezeit mitnehmen. Damit sie ihre Mitarbeiter nicht verlieren, werden Arbeits- und Gesundheitspsychologen viel zu tun haben. (Karin Bauer, 2.5.2020)

Homeoffice

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Viel von der schnellen Verfrachtung der Arbeit aus dem Büro in die Privatwohnungen wird bleiben.
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  • Weniger Büro:
    Viel von der schnellen Verfrachtung der Arbeit aus dem Büro in die Privatwohnungen wird bleiben. Wozu alles zurückbauen, was ad hoc in technische Infrastruktur investiert wurde? Das spart der Firma ja künftig auch Miet- und Reinigungskosten (siehe Beitrag im ImmobilienStandard zur schwierigen Rückkehr ins Großraumbüro). ++
  • Abstimmungswahnsinn:
    Überbordende Videobesprechungen, Informationen "von oben" und chaotische Schnittstellen werden nach und nach verschwinden. Es spielt sich mit der Zeit ein. --
  • Mehr Selbstorganisation:
    Das Delegieren der Verantwortung über Arbeitsweise und Arbeitsorganisation auf die Schultern der Mitarbeitenden wird bleiben – inklusive mehr technischer Kontrollen. ++

++ Wird tendenziell bleiben
-- Wird wieder verschwinden


Mehr Digitalisierung

  • Viele Channels:
    Auch wenn sich das Durcheinander der unterschiedlichen Kommunikationstools ordnen wird: Arbeiten auf vielen Channels von Mail über interne Plattformen bis hin zur Verwendung mehrerer Videotools wird bleiben. ++
  • Dauernd Neues lernen:
    Alle neuen Werkzeuge zum neuen Zusammenarbeiten wollen bedient werden, Rollen in der Organisation ändern sich, das bedeutet, dauernd schnell etwas Neues lernen zu müssen. ++
  • Bild zu Bild:
    Kontaktlose Services sind hochgefahren, kontaktloser Außendienst ist Realität. Das spart Reisekosten und Personal. Warum alles zurückbauen? Schnell mal einfliegen, Meetingräume mit endlosen Agenden und vielen Menschen vollstopfen wird nicht mehr Usus sein. ++

++ Wird tendenziell bleiben
-- Wird wieder verschwinden


Kleinere Firmen

  • Die eingeteilte Belegschaft:
    Systemrelevante, wichtige und entbehrliche Mitarbeitende: Diese brutal klare Einteilung aus der Corona-Pandemie wird nicht ganz verschwinden. Dieser Blick auf die Belegschaft wird Teil des Managements in der Rezession sein. ++
  • Leere Etagen:
    Die Büroräume bleiben nicht verwaist, sie werden sich wieder füllen – aber nicht zur Gänze. Es wird nicht nur geschaut, wer wann anwesend sein muss, sondern auch, was effizient ist. --
  • Zwei Klassen:
    Der Trend zu einer möglichst kleinen fixen Stammbelegschaft und einem größeren Heer von Freien für Projekte und als Unterstützung wird sich verfestigen. ++

++ Wird tendenziell bleiben
-- Wird wieder verschwinden


Jobsuche

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Die Verwendung von Videotools im Büroalltag und bei Bewerbungen wird bleiben.
Foto: Reuters / Temilade Adelaja
  • Videobewerbung:
    Fast alle Unternehmen haben schnell (gute und weniger gute) Möglichkeiten für Videobewerbungen geschaffen. Durch die Corona-Krise wird sich dieser Trend weiterentwickeln. ++
  • Massen-Assessments:
    Ein Wettkampf aller Kandidaten im Raum um die Gunst der Arbeitgeber? Das wird kaum mehr stattfinden. Wenn, dann sitzt man eher alleine vor dem Schirm und wird remote getestet. --
  • Starke elektronische Spur:
    Es wird noch wichtiger, welche Spuren wir im Netz ziehen. Recruiting-Arbeit verlagert sich noch mehr in die virtuelle Welt und baut aus dieser ein Bild der Bewerberinnen und Bewerber. ++

++ Wird tendenziell bleiben
-- Wird wieder verschwinden


Neue Führung

  • Output statt Anwesenheit:
    Die Präsenzkultur hat eine wochenlange Pause gemacht. Es arbeitet nur, wer brav in der Firma sitzt? Dieser Glaubenssatz ist gebrochen. Chefs haben für Output zu sorgen, nicht für Absitzen – das wird bleiben. Ein neuer Leistungsbegriff, elektronisch kontrolliert, bahnt sich den Weg. ++
  • Nettere Chefs:
    Bei allen Webinaren zu virtueller Führung ist gelehrt worden: Frag deine Leute, wie es ihnen geht, und sei empathisch. Dass eine solche Verhaltensänderung dauerhaft bleibt – das ist zu bezweifeln. --++
  • Mehr Gestaltungsspielraum:
    Das allseits unbeliebte Mikromanagement geht sich in der neuen Organisation einfach nicht mehr aus. Vertrauen muss sein. ++

++ Wird tendenziell bleiben
-- Wird wieder verschwinden

(Karin Bauer, 2.5.2020)