Sie werden ein Jahr warten: Cecilia Capri und Mathias Assefi verdienen nicht nur mit Hochzeiten ihr Geld, sie wollten im Mai auch selbst heiraten.

Foto: Heribert Corn

Es könnte fast eine Fabel von Aesop sein, ist aber nur eine Urban Legend: die Anekdote von der jungen Frau, die sich die Location für ihre Traumhochzeit einige Jahre im Voraus reservieren ließ, obwohl zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal ein Habschi in Sicht war. Fabeln zeichnen sich durch eine Moral, oder vielleicht etwas weniger bedeutungsschwanger: einen Lebenstipp, aus. In diesem Fall: Planung ist alles, und zwar lange, sehr, sehr lange im Voraus.

Mundschutz am Amt

Nun, hochzeitserfahrene Minimalisten werden einwenden: Stimmt nicht, man kann die Chose auch preiswert und relativ schnell direkt am Standesamt erledigen. In Österreich braucht man dazu nicht einmal Trauzeugen, der Standesbeamte oder die Standesbeamtin darf multitasken. Ab heißen 70 Euro ist man dabei.

Ab Mai darf an den Wiener Standesämtern, wo hochzeitstechnisch seit Mitte März tote Hose herrschte, wieder im kleinen Kreis geheiratet werden. Im Jahr finden dort circa 6000 Hochzeiten (mit Verpartnerungen etwas mehr) statt, in Gesamtösterreich sind es um die 45.000. Die MA 63, das Amt, das über die Wiener Trauungen wacht, gibt Auskunft: "Ab Mai dürfen maximal zehn Personen inklusive der Standesbeamtin oder des Standesbeamten anwesend sein. Mund-und-Nasen-Schutz soll getragen werden, auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen einen. Für den Hochzeitskuss darf er aber selbstverständlich abgenommen werden."

Wenn Millennials heiraten

In den Bundesländern wurde teilweise schon früher als im Mai wieder geheiratet – die Auflagen unterscheiden sich von Gemeinde zu Gemeinde, aber auch dort waren natürlich keine großen Ansammlungen erlaubt. Vielen Vertretern der Gesinnungsgemeinschaft Schmalspurhochzeit ist aber gerade auch nicht nach "Ja sagen". Einen freudigen Anlass mitten in einer Krisenzeit zu begehen scheint vielen dann doch ein wenig abgeschmackt.

Wer an Hochzeit denkt, meint ohnehin selten den offiziellen Teil im Amt, sondern die Hochzeitsfeier. Und die sieht heutzutage oft anders aus als in Omas und Opas Zeiten. Das sogenannte Erstheiratsalter liegt derzeit um die dreißig Jahre. Wer also gerade (erst)heiratet, fällt zumeist in die Kategorie Millennial. Und für die ist die Party das Um und Auf. Die muss dann auch möglichst instagrammable sein. Den Einfluss von Social Media auf die Hochzeitsinszenierung schätzt die Hochzeitsplanerin Iris Kevric, die seit 2017 in St. Michael ihr Unternehmen Simply Perfect Weddings betreibt, als enorm ein. "Die Vorstellungen, die sich die Brautpaare durch Social Media, besonders Pinterest, machen, sind mit dem Budget oft nicht vereinbar."

Einblicke ins Atelier von We Are Flowergirls, die mit ihren hippen Blumenkränzen den Hochzeitszeitgeist treffen. Die Pause wird nun mit neuen Ideen überbrückt.
Foto: Heribert Corn

Apropos Budget: 30.000 bis 40.000 Euro für eine Hochzeit abzulegen gilt als realistisch. Die Planung dieser Feierlichkeiten beschäftigt die meisten Paare mindestens ein Jahr, was schon allein darin begründet ist, dass hübsche Hochzeitslocations so lange im Voraus gebucht werden müssen.

Singende Polen

Mit Corona fällt all die Planung nun meist ins Wasser. Julia und Emil müssen ihre "Big Fat Polish Wedding" sogar auf 2022 verschieben. Die sollte eigentlich in einer Villa bei Krakau stattfinden, für die österreichischen Freunde und die polnischen Verwandten von Julia wäre das der halbe Weg gewesen. Doch nun kann nicht groß gefeiert werden – und im kommenden Jahr ist das Anwesen bereits zur Gänze ausgebucht. Einen vergleichbaren Ort fand die Braut in Österreich nicht.

Und ohne große Entourage zu heiraten kam nicht infrage: "Die Polen sind, was Hochzeiten betrifft, oberste Liga, die Stimmung ist fantastisch, es wird gesungen, getanzt, niemand scheißt sich was", sagt Julia. Auch der Termin am Standesamt ist nach hinten verschoben. Das Paar nimmt es gelassen. Man kennt einander seit der Volksschule – da machen zwei weitere Jahre Wartezeit bis zur Hochzeit auch nichts mehr.

Die lieben Finanzen

Finanziell entsteht den meisten Paaren durch die Verschiebungen kein Nachteil. Für gewöhnlich werden bei den Dienstleistern nur Anzahlungen getätigt – diese bleiben, quasi als Gutschein, bestehen, bis es dann wirklich so weit ist. "Im schlimmsten Fall verlieren wir 400 Euro, falls die Unternehmen die Krise nicht überstehen, wovon ich aber nicht ausgehe. Das ist die Summe der Anzahlungen, die wir getätigt haben", erzählt Daniela, die mit ihrem Verlobten Martin zum ausgewählten Datum 20. April 2020 einen Termin an einem Wiener Standesamt gehabt hätte.

"Wir haben uns jetzt endlich dazu durchgerungen, doch noch zu heiraten. Wenn wir es tun, gehört ein bisschen Kitsch und Schmusen schon dazu." – Babs, Braut to be

Die beiden hatten mit 20 Leuten ohnehin nur eine kleine Trauung mit anschließendem Restaurantbesuch geplant. Doch nur zu zehnt, wie es jetzt wieder möglich ist, und mit Mundschutz zu heiraten genügt Danielas Ansprüchen dann doch nicht. Über das Standesamt zeigt sie sich frustriert. Irgendeinen beliebigen Ersatztermin zugeteilt bekommen möchte sie nicht. Und gleich um ein Jahr verschieben lässt das Wiener Standesamt nicht zu. Dort kann ein neuer Termin immer erst ein halbes Jahr im Voraus reserviert werden. "Ich habe ein Kleid, Blumen und einen äußerst unfreundlichen Standesamt-Mitarbeiter am Telefon. Nur Hochzeitstermin habe ich keinen", resümiert sie.

Verhindertes Jawort nach 14 Jahren

Auch Manuel wollte seine Freundin Babs nach 14 Jahren Beziehung ehelichen – und das leider zum nun Corona-bedingt falschen Zeitpunkt. Ende Mai hätte die Trauung mit 30 Leuten am Standesamt in Purkersdorf stattfinden sollen. Kleiner wollen sie nicht feiern, meint Babs: "Wir haben so lang nicht geheiratet – und wenn wir es tun, gehört ein bisschen Kitsch und Schmusen schon dazu." Im Sommer wollten die beiden dann noch ein Hochzeitsfestival in Ungarn für ihre Freunde veranstalten. Dort hätten sie einen – wie sie lachend erzählen – etwas heruntergekommenen Häuserkomplex mit 60 Schlafplätzen avisiert, bei dem man auch campen kann. Die Feier am Lagerfeuer steht nun ebenfalls auf wackeligen Beinen. Ein großes Drama ist das aber für das sympathische Paar nicht. Auch sie können warten.

Die Liebe mag jede Krise überdauern, Hochzeiten sind vor Corona aber gerade nicht sicher.
Foto: Heribert Corn

Die Dienstleister leiden

Ein wenig angezipft sind die meisten der befragten Paare ob der Planänderungen schon. Aber es bleibt verkraftbar. Härter trifft es jene, die mit Hochzeiten ihr Geld verdienen, die Dienstleister und Professionisten. Konditoren, Floristen und Caterer, Hochzeits-DJs oder -fotografinnen wie Aslan und Doris, die unter dem Namen "Mit Federn und Posaunen Photography" auf das Festhalten der schönsten Tage spezialisiert sind. In der aktuellen Saison hätten sie 15 Hochzeiten fotografiert, die Termine inklusive Juli wurden bereits alle verschoben. Für Aslan macht die Hochzeitsfotografie rund die Hälfte ihres Einkommens aus; ein Ausfall, der sich nicht so leicht kompensieren lässt.

"Mitte März ging es los: Eine Stornierung nach der anderen und verzweifelte Bräute am Telefon." – Cecilia Capri

Davon kann auch Weddingplannerin Ines Krevic ein Lied singen. Sie plant im Jahr ungefähr ein Dutzend Hochzeiten. "90 Prozent davon sind aktuell verschoben. Es war und ist ja nach wie vor nicht absehbar, wann Hochzeiten im normalen Sinne wieder stattfinden können. Das macht die Sache für die Brautpaare und alle Dienstleister sehr schwierig." Für Krevic, die noch dazu auf Hochzeiten von Menschen, die im Ausland leben und in Österreich heiraten, spezialisiert ist, ist die Situation besonders angespannt. Niemand weiß, wann die Paare samt Gefolge wieder einreisen dürfen.

Schlechte Saison für die Blumencorona

Auch Cecilia Capri hat – objektiv betrachtet – gerade nicht viel Grund zur Freude. Erstens verdient auch sie ihr Geld mit Hochzeiten, zweitens hätte sie im Mai selbst geheiratet. Mitte März wurde ihr klar, dass es in jeder Hinsicht schlecht aussieht. Bevor sie sich mit der eigenen Hochzeit beschäftigen konnte, hatte sie "eine Stornierung nach der anderen und verzweifelte Bräute am Telefon".

Cecilia und ihr Business- und Lebenspartner Mathias sind mit ihrem Unternehmen "We Are Flowergirls" auf handgemachte Blumenkränze, die hippe Alternative zum Brautschleier, spezialisiert. Einerseits machen sie auf Hochzeiten und für Polterer Workshops mit den Gästen, andererseits verkaufen sie Kopfschmuck, der von Frauen gerne auf Hochzeiten oder Festivals getragen wird. Seit neuestem designen sie auch Kleider für Brautjungfern.

"Festivalsaison, Strandsaison, Trachtensaison, also alles, wo Blumenkränze ein Thema sind, fällt nun weg", erzählt die Unternehmerin. Dennoch bleibt Capri zuversichtlich. Von ihren Mitarbeitern musste sie niemanden in Kurzarbeit schicken, alternative Ideen werden entwickelt. Und die eigene Hochzeit wurde ohne Probleme um ein Jahr verschoben. "Vorfreude ist die größte Freude. Hochzeit verschieben ist quasi die doppelte Vorfreude!", sagt sie. Aufstehen, Blumencorona richten, weitermachen!

Aus der Krise streamen

Dann gibt es natürlich jene Unternehmer, die in der Krise eine Marktlücke entdecken. Mit Weddingstream.at streamt der erste Anbieter in Österreich – wie der Name schon verrät – Hochzeiten live. Mittels Link können sich Verwandte und Freunde in die Trauung einklinken. Das Interesse an dem Service ist rege, wie Lucas Dirnbacher, der das Unternehmen mit Sabrina Feichtinger gegründet hat, berichtet: "Wir sind erst seit einer Woche am Markt, haben aber bereits jede Menge Anfragen. Unsere erste Hochzeit ist fixiert. Am 9. Mai wird sie am Standesamt in Altlengbach stattfinden, da wird auch der ORF dabei sein", freut sich der Unternehmer, der auch nach Corona Bedarf für seinen Service sieht. Gerade bei Paaren, die viele Freunde und Familie im Ausland haben, bietet sich so ein Stream natürlich an. Das kleinste Paket ist um 800 Euro zu haben.

Bei dem, was eine Hochzeit im Schnitt kostet, macht das das Blaukraut auch nicht mehr fett. (Amira Ben Saoud, 1.5.2020)