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Gerade der türkise Vorzeigepartner der Grünen in Vorarlberg hat in der Bundeshauptstadt für Schnappatmung gesorgt. Bei ökologischen Fragen könnte es zu Verschiebungen kommen, sagte ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner vor wenigen Tagen in einem Interview. Für die Grünen in Wien, die eigentlich gerne an die harmonische grün-türkise Koalition im Westen erinnern, ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Die Umfragewerte der Volkspartei kratzen an der absoluten Mehrheit, das grüne Steckenpferd, der Klimaschutz, ist durch Corona in den Hintergrund gerückt. Beim kleinen Koalitionspartner keimt die Furcht, dass grüne Agenden dauerhaft an Gewicht verlieren.

Tatsächlich wurde es an der ÖVP-Spitze auffallend still um das einstige Topthema, das Kanzler Sebastian Kurz noch vor einem Jahr zur "Chefsache" machen wollte. Hat die Pandemie die frisch aufgekeimten Klimaversprechen erstickt? Nein, sagt Lukas Hammer, Klimasprecher der Grünen. "Es gilt, was im Regierungsprogramm steht." Gemeint sind damit etwa Klimaneutralität bis 2040 und die Einführung einer CO2-Bepreisung im Jahr 2022. Von dem Zwischenruf aus Vorarlberg hält Hammer nicht viel: "Manche in der ÖVP wollen offenbar nur dann Klimaschutz machen, wenn die Wirtschaft brummt. Bei Schwierigkeiten heißt es, dass es sich leider nicht ausgeht."

Im Hintergrund würde an den Themen weitergearbeitet werden, heißt es aus dem Klimaschutzministerium. Dessen Ministerin, Leonore Gewessler, räumte jedoch unlängst im STANDARD-Interview ein, dass derzeit alle Energien in die Corona-Bekämpfung gingen und die Arbeit im Klimaschutzbereich erst nach dem unmittelbaren Krisenmodus wieder intensiviert werde.

Airline-Rettung als Streitpunkt

Dass der Fokus der Volkspartei derzeit auf der Pandemie liege, habe auch in der Klimaarbeit Vorteile, heißt es hinter vorgehaltener Hand bei manchen Grünen. Damit gebe es auch weniger Gegenwind bei klimapolitischen Knackpunkten. Zuletzt stimmte der Nationalrat etwa für einen verpflichtenden Klimacheck für Gesetze und Investitionen des Bundes – ohne viel Grummeln seitens der Türkisen.

Die AUA soll im Gegenzug für Staatshilfen klimafreundlicher werden, fordern die Grünen.
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Eine härtere Nuss für den Koalitionsfrieden sind die Verhandlungen rund um die Staatshilfe für die AUA. Gerade eine Airline in Zeiten der Klimakrise massiv zu fördern stößt vielen Grünen sauer auf. Beim türkisen Regierungspartner ortet man zu wenig Bereitschaft, die Millionen an grüne Bedingungen zu knüpfen.

Richtige Prämie für Autokäufer

Noch dazu ist die Diskussion um eine Abwrackprämie – einen Zuschuss beim Kauf eines Neuwagens – neu entflammt. Für die Grünen wäre das unmöglich, wie Hammer betont: "Eine Förderung für Autos mit Verbrennungsmotoren wäre eine Schnapsidee und reine Geldverbrennung. Wenn überhaupt, dann kann es das nur für E-Autos geben."

Mitte der Woche signalisierte die ÖVP nun jedenfalls Bereitschaft, den wirtschaftlichen Wiederaufbau grüner zu gestalten. Das ließ Kanzler Kurz jedenfalls bei der Präsentation der Eckpunkte des Konjunkturpakets durchklingen. Kleinigkeiten werden dabei nicht ausreichen, sagt der Klimaökonom Karl Steininger: "Wenn der Klimaschutz im Konjunkturpaket nicht ganz explizit und deutlich eingebaut wird, geben wir damit unsere Paris-Verpflichtung auf."

Möglich wäre etwa, geplante Klimainvestitionen vorzuziehen, um die Konjunktur anzukurbeln. Insgesamt will die Bundesregierung für die Verwirklichung ihrer Klimaziele bis 2030 zwischen 166 und 173 Milliarden Euro investieren, rechnet die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) vor. Mehr als die Hälfte davon entfalle auf den Verkehrssektor, gefolgt vom Energiebereich und von der thermischen Sanierung.

Öko-Antwort auf die Krise

Während Großprojekte wie etwa der Brenner-Basistunnel nicht einfach von heute auf morgen fertiggestellt werden, könnte man kleinere Projekte durchaus vorziehen, sagt der OeNB-Volkswirt Wolfgang Pointner. "Mit dem Ausbau von Radwegen könnte man schon übermorgen starten." Solche baulichen Maßnahmen – aber beispielsweise auch der Ausbau der Erneuerbaren – wären eine ideale Antwort auf die Krise. "Neben den positiven kurzfristigen Effekten einer Konjunkturbelebung ergibt sich daraus auch langfristig eine höhere Resilienz der Wirtschaft gegenüber volatilen Ölpreisen und klimawandelinduzierte Schocks."

Dafür gibt es durchaus Finanzierungsmöglichkeiten, bei denen die Republik nicht tief in die Tasche greifen müsste, heißt es bei der OeNB. Ein Beispiel ist die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau, die seit 2014 Green Bonds führt. Mit deren Erlösen werden Förderprogramme zur Eindämmung der Klimakrise finanziert. Wenn ein Konzern beispielsweise die thermische Sanierung vorantreiben will, erhält er günstigere Konditionen. In Österreich könnte ein ähnliches Programm über die Förderbank AWS gestartet werden, sagt Pointner.

Das Modell der 2010 gegründeten britischen Green Investment Bank wäre eine weitere Alternative. Dort setzt sich die Hälfte der Belegschaft aus Technikern zusammen, die die Nachhaltigkeit von Projekten besser einschätzen können als herkömmliche Finanzberater. Durch das technische Know-how sinke das Risiko für den Kreditgeber, argumentiert der OeNB-Ökonom. Letztlich könnte die Expertise anderen Banken als Orientierungshilfe dienen.

Eine Rückkehr zum "gewohnten Alltag" darf es im Licht der Klimakrise aus Sicht heimischer Klimaforscher jedenfalls nicht geben. Am Donnerstag wandten sich 22 Mitglieder der Kommission für Klima und Luftqualität und der Akademie der Wissenschaften in einem offenen Brief an die Regierung. Darin fanden sie durchaus Lob für deren Arbeit der vergangenen Wochen: Die Regierung habe Entscheidungen anhand wissenschaftlicher Expertise getroffen. Die Forscher fordern, dies nun auch im Klimabereich zu tun – mit durchaus drastischen Worten: "Wenn wir dem fortschreitenden Klimawandel nicht jetzt gegensteuern, wird sich dieser weit katastrophaler entwickeln als alle Szenarien, die im Zusammenhang mit Covid-19 vorgestellt wurden." (Nora Laufer, 2.5.2020)