Foto: Riot Games
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Wer den Studionamen Riot Games hört, wird wahrscheinlich vor allem an ein Spiel denken: League of Legends. Seit 2013 hat sich das Moba zu einem weltweiten Hit und einem der größten E-Sports-Games entwickelt. Mit Teamfight Tactics und Legends of Runeterra hat man in der jüngeren Vergangenheit zwei weitere Titel an den Start gebracht, die im gleichen Universum beheimatet sind.

Dementsprechend sorgte die Ankündigung von "Project A" im letzten Jahr für einige Aufmerksamkeit. Denn einen Taktikshooter hatte man von der Firma nicht unbedingt erwartet. Mittlerweile trägt er offiziell den Namen Valorant (nur für Windows verfügbar) und ist in eine offene Betaphase gestartet, in die sukzessive mehr Teilnehmer per Einladung hinzugefügt werden. Auch DER STANDARD konnte bereits einige Runden in dem Game drehen. Hier ist unser Erfahrungsbericht.

VALORANT

Viel CS:GO und eine Prise Overwatch

Wie alle anderen Games existiert Valorant natürlich nicht in einem Ideen-Vakuum. Die Inspirationsquellen des Spieles wurden schon bei den ersten Trailern und veröffentlichten Gameplays offensichtlich. Die Entwickler versuchen, zwei andere populäre Multiplayer-Shooter miteinander zu verheiraten: Counter-Strike: Global Offensive (CS:GO) und Overwatch. Wie CS:GO ist das Game Free2Play, wobei man sich für Geld nur kosmetische Gegenstände kaufen und keinen spielerischen Vorteil verschaffen kann.

Von Valves Titel borgt man sich den Zugang zum Mapdesign und den Kaufmechanismus zum Beginn jeder Runde. Grafikstil und die Konzeption der Spielfiguren ist in großen Teilen an Blizzards Spiel angelehnt. Im Moment gibt es einen Spielmodus, der im Prinzip eine Kopie der Bombenentschärfung von CS:GO ist.

Taktisches Shopping

Es treten zwei Teams zu je fünf Kombattanten gegeneinander an. Zu Beginn jeder der bis zu 24 Runden, die jeweils 30 Sekunden Vorbereitung sowie maximal 100 Sekunden an Spielzeit dauern, kann man Ausrüstung erwerben. Hier investiert man Geld in eine von aktuell 17 Waffen, mit der man spielen möchte. Das Arsenal reicht von einfachen Pistolen über SMGs, Shotguns, Maschinengewehre bis hin zu Sniper Rifles. Dazu gibt es optional auch eine leichte oder schwere Schutzweste.

Neben der Bewaffnung verfügt jeder Spieler auch über vier Fertigkeiten, je nachdem, welchen "Agent" er spielt. Auch diese müssen erst per Einkauf freigeschaltet und nach Verwendung nachgekauft werden. Jede Rund erhält man einen fixen Betrag sowie extra Geld für Kills und gewonnene Matches.

VALORANT

Der Einkauf ist das erste taktische Element. Man kann etwa zusätzliches Budget sofort in etwas bessere Ausrüstung stecken oder eine Runde oder länger sparen, um dann mit dem besten Equipment anrücken zu können. Es ist außerdem möglich, anderen Teammitgliedern Ausrüstung zu sponsern oder selbst um ein Geschenk anzufragen. Im Rahmen der Vorbereitungszeit kann man sich auch schon an strategisch günstigen Orten des "eigenen" Teils der Karte positionieren.

Bis zu 25 Runden

Eine Mannschaft beginnt als "Angreifer" und hat den Auftrag, eine Bombe (genannt "Spike") in einem von – je nach Karte – zwei oder drei designierten Arealen zu deponieren und deren Detonation abzusichern, während die Verteidiger eben das zu verhindern suchen. Eine Runde kann auch enden, wenn die Mitglieder eines Teams komplett eliminiert wurden, wobei die Verteidiger eine bereits aktivierte Bombe auch danach noch entschärfen müssen. Es sei denn, die Rundenzeit läuft aus, bevor diese explodiert.

Nach zwölf Runden werden die Seiten gewechselt und das Startbudget zurückgesetzt. Das Team, das als erstes 13 Siege für sich einbuchen kann, gewinnt. Im schnellsten Falle, so es nicht aus anderen Gründen zu einem Abbruch kommt, ist ein Match nach rund 25 Minuten aus. Im Extremfall, wenn es nach 24 Runden 12:12 steht, geht es in eine spielentscheidende "Overtime Round", in der alle Spieler das selbe Budget erhalten.

Dieser Mechanismus steht allerdings zurecht in der Kritik, da die Aufgabenteilung in Angreifer und Verteidiger weiterhin bestehen bleibt und die Bewachung der Bombenareale als die grundsätzlich etwas einfachere Aufgabe gilt. Auch im Test bestätigte sich der Eindruck, dass man als verteidigendes Team im Vorteil ist.

Einfach gehaltene Steuerung

Die Fähigkeiten der Spieler unterteilen sich in drei "normale" und eine "ultimative" Ability. Die Sonderfertigkeit hat eine Aufladezeit und kann daher in der Regel nur alle paar Runden verwendet lassen, weswegen man sich ihre Verwendung auch genau überlegen sollte. Sie in einer hoffnungslos aussehenden Runde, in der man etwa als letzter überlebender Angreifer vier übrigen Verteidigern gegenüber steht, zu nutzen, ist eher eine schlechte Idee. Mit Kills lässt sich die Aufladung des "Ultimates" beschleunigen.

Bei der mechanischen Umsetzung hat Riot Games einen eher "arcadigen" Zugang gewählt. Man kann sich ducken und springen, erweiterte Bewegungsfeatures wie Lehnen oder Hinlegen gibt es nicht. Alle Waffen haben ein individuelles Rückstoßverhalten und unterschiedliche Schadenswerte sowie eine effektive Reichweite, innerhalb welcher der größte Schaden verursacht wird. Nennenswerte ballistische Kurven gibt es aber nicht, weil die meisten Gefechte ohnehin auf kürzere Distanz stattfinden, würden diese auch wenig Rolle spielen. Was sich hinter dem Fadenkreuz befindet, trifft man, sofern man sich auf kurze Feuerstöße beschränkt.

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Kunterbunte Fähigkeiten

Die Fähigkeiten sind eine bunte Mischung aus offensiven und defensiven Fähigkeiten. Sie reichen von Luftschlägen auf ein kleines Areal über temporäre Mauern, Aufklärungsdrohnen, Teleportation, Giftwolken bis hin zu kurzen Phasen der Unsichtbarkeit bzw. Unverwundbarkeit. Die meisten davon sind schnell intuitiv erlernbar. Andere brauchen mehr Übung, weil sie über die taktische Karte gesteuert werden. In diesem Aspekt des Gameplays wird die Verwandtschaft zu Overwatch besonders offensichtlich, wobei es viel weniger Fähigkeiten gibt, die Spieler hoch springen oder gar kurzzeitig fliegen lassen. Das Geschehen spielt sich hauptsächlich in der horizontalen Ebene ab.

"Friendly Fire" gibt es in Valorant nur teilweise. Mit Waffen kann man eigenen Teamkameraden keinen Schaden zufügen. Die Abilities wirken sich auf die Mitspieler allerdings schon aus, sowohl was Schaden, als auch andere Effekte wie Verlangsamung betrifft. Folglich empfiehlt sich zumindest eine Vorwarnung per Ingame-Voicechat vor dem Einsatz, weil sonst aus einer gut gemeinten Aktion schnell ein unerwarteter Vorteil für die Feinde werden kann.

In Steuerung und Spielprinzip findet man schnell hinein. Das Tutorial führt durch beide Aspekte und ist für Gamer mit Vorerfahrung in ähnlichen Spielen ein guter Einstieg. Wer mit Onlineshootern dieser Machart noch keine Berührung hatte, dürfte zu beginn allerdings noch überfordert sein.

Wenig abwechslungsreiche Maps

Bei den drei bislang veröffentlichten Karten (Haven, Bind, Split) liegt Valorant wieder viel näher an CS:GO. Der Großteil der Karten besteht aus Abfolgen meist kleinerer, rechteckiger Räume. Mehr Platz gibt es praktisch nur an bzw. rund um die Bombenareale. Das ist schade, weil gerade aufgrund der Spezialfähigkeiten auch die Umsetzung "natürlicherer" und offener Umgebungen gut möglich sein sollte, wie Overwatch beweist. Auch ästhetisch bieten die Level nur wenig Abwechslung.

Neben guten Zielfertigkeiten und Reaktionsvermögen ist die Kenntnis der Maps ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Hier geht es vor allem darum, gute Plätze zu kennen, von welchen man aus die Bombenareale gut abdecken kann, ohne sich selbst zu stark zu exponieren. Von großer Bedeutung ist es auch zu wissen, an welchen Stellen der Karte es gute "Winkel" – also Ecken und Spalten, die Einsicht und Schussmöglichkeit auf neuralgisch wichtige Punkte geben.

VALORANT

Technisch erscheint die Umsetzung gut geglückt zu sein. Sichtbare Treffer werden stets gezählt, Gegner mit schlechter Verbindungslatenz scheinen keinen Vorteil zu haben. Ladezeiten sind recht kurz und die Server liefen im Rahmen des Tests stabil. Die Bewährungsprobe steht mit der generellen Öffnung des Games freilich noch aus.

Diskussionen um Balancing und Anticheat

Nun zu zwei Punkten, die nicht in das spielerische Fazit des Beta-Kurztests einfließen, aber dennoch erwähnt werden sollten. Erstens: Das Balacing. Wie in jedem Multiplayer-Game dieser Art sorgen die Fähigkeiten der Spielfiguren und die Ausgestaltung der Waffen bereits für rege Diskussionen in der Valorant-Community. Ist die Waffe X zu schwach oder Held Y zu stark? Bereits jetzt nimmt Riot Games in fast jedem Patch größere und kleinere Adaptionen vor. Insgesamt erschien das Game recht gut ausbalanciert zu sein, doch gerade in diesem Aspekt fußt sehr viel auf subjektiver Wahrnehmung.

Die zweite Angelegenheit betrifft das Anticheatsystem "Vanguard". Um regelmäßige Cheaterinvasionen, wie sie viele andere Games erleben, möglichst zu vermeiden, setzt Riot Games auf eine eigene Softwarelösung zur Erkennung und Unterbindung unfairer Hilfsmittel. Es ist auch der Grund, warum nach der Installation des Spielclients der PC neugestartet werden muss, denn Vanguard sichert sich Zugriff auf Kernelebene des Systems mit vollen Rechten. Die Entwickler erachten das als notwendig, um Schummeleien möglichst effektiv unterbinden zu können und versprechen, dass das Tool nur spielrelevante Daten ausliest und analysiert. Zudem zahlt man Belohnungen aus, wenn bisher nicht bekannte Lücken und Bugs gefunden werden.

Eine von einem Spieler dokumentierte Aufzeichnung einer Runde, die aufgrund der Entdeckung eines Cheaters abgebrochen wurde.

Komplett unterbinden konnte Vanguard das Cheaten bislang allerdings nicht. Entdeckt es Betrug seitens eines Spielers, so wird das Match ohne Wertung abgebrochen. Neben dem Faktum, dass auch ein so tief integriertes Anticheat-System offenkundig auch nicht unüberwindbar ist, so ist es zusätzlich ein potenzielles Sicherheitsrisiko. Gelingt es einem Angreifer, irgendwie die Kontrolle über Vanguard zu übernehmen, könnte er sich nach Herzenslust auf dem Zielsystem austoben. Installiert wird die Software separat zu Valorant. Das spielt jedoch keine Rolle, denn ohne kann man das Game nicht starten.

Fazit

Mit Valorant liefert Riot Games einen recht zugänglichen Multiplayershooter, der viel CS:GO und etwas Overwatch in eine unterhaltsame Mischung zusammenführt. Das Game bietet ausreichend taktischen Tiefgang, um abwechslungsreich zu bleiben und Spieler von ähnlichen Games schnell abzuholen. Auch blutige Einsteiger sollten sich nach wenigen Stunden zurecht gefunden haben.

Während mit dem tief integrierten Anticheatsystem Vanguard ein schaler Nachgeschmack bleibt, gibt es auf spielerischer Seite nur wenig zu bemängeln. Der größte Punkt ist die Gestaltung der Karten, die sich in Konzeption und Ästhetik sehr ähneln. Hier dürfte Riot Games gerne mehr Abwechslung bieten. Insgesamt ist der Einstieg der League of Legends-Macher in das Genre auf jeden Fall gelungen. (Georg Pichler, 03.05.2020)