Der Sommer rückt näher und damit auch die Frage, welche Reisepläne realistisch sind. Österreich wirbt um deutsche Touristen. Doch für die Deutschen sind es wohl Reiseziele wie die Ostseeinsel Usedom.

imago

Berlin/Wien – Von Horst Seehofer (CSU) hat man in der Corona-Krise länger nichts gehört oder gesehen. Kein Wunder, der deutsche Innenminister gehört mit seinen 70 Jahren und diversen Vorerkrankungen zur Risikogruppe und meidet viele Kontakte.

Doch nun hat er sich in einem Interview mit der Bild am Sonntag zurückgemeldet, und in diesem dämpft er klar die österreichischen Hoffnungen, dass sich bald schon deutsche Touristen an den österreichischen Seen, in den heimischen Bergen und beim Wiener Schnitzel tummeln könnten.

"Solange das Virus keinen Urlaub macht, müssen auch wir uns mit unseren Reiseplänen beschränken – so verständlich der Wunsch für die Menschen und die Tourismusbranche auch ist", sagt der Innenminister und meint auch: "Der Infektionsschutz gibt da den Zeitplan vor." Er warnt auch: "Niemand will die Bewegungsfreiheit der Bürger länger einschränken als unbedingt nötig. Aber leichtsinnige Öffnungen, die später in Gestalt erhöhter Ansteckungszahlen zurückschlagen, helfen niemandem."

Söder lockt nach Bayern

Auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder wirbt angesichts der Corona-Grenzsperren um deutsche Österreich-Urlauber. "Für all diejenigen, die sich Österreich als Urlaubsort vorstellen können, kann ich dann einfach nur sagen: Bayern ist genauso schön", sagte er in einer Pressekonferenz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, woraufhin diese konterte: "Der Norden hat auch Supermöglichkeiten." Dort, in Mecklenburg-Vorpommern, auf der Insel Rügen, hat Merkel ihren Wahlkreis.

Doch auch der sozialdemokratische Außenminister Heiko Maas meint, zwar dürften die Grenzen in Europa "keinen Tag länger als nötig" geschlossen bleiben. Doch bei den Grenzöffnungen müsse die Regierung "kontrolliert und koordiniert vorgehen, um nicht die Fortschritte im Kampf gegen das Virus aufs Spiel zu setzen, für die wir alle in den letzten Wochen einen Teil unseres normalen Lebens geopfert haben".

Keine Rückholaktion mehr

Er warnt vor Schnellschüssen und erklärt: "Wenn Leute nicht nur wieder ins Ausland fliegen können, sondern auch mit hinreichender Sicherheit zurückkommen, dann können wir die Reisewarnung schrittweise zurückfahren." Eines sei jedenfalls klar: "Wir können und werden im Sommer nicht noch einmal eine Viertelmillion Menschen aus dem Urlaub zurückholen", warnte Maas. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte die Rückholaktion im März gestartet und aus insgesamt 57 Staaten weltweit gestrandete Reisende nach Deutschland heimgeflogen.

Österreich hat jüngst eine bilaterale Vereinbarung mit Deutschland ins Spiel gebracht, um eine Grenzöffnung rechtzeitig vor der Sommerurlaubssaison zu ermöglichen. Wie berichtet, dürfen in Österreich Restaurants, Wirtshäuser, Pubs und Bars unter Auflagen ab 15. Mai wieder aufsperren, zwei Wochen später eröffnen auch wieder Hotels und andere Beherbergungsbetriebe sowie Freizeitanlagen und Seilbahnen. Die entsprechende Lockerungsverordnung wurde Ende vergangener Woche kundgemacht. Abhängig ist dies freilich von der epidemiologischen Entwicklung der Corona-Infektionen.

Auch Tschechien öffnet sich

Dass sich Deutschland nun zurückhaltend über baldige Österreichurlaube zeigt, wird hierzulande so kommentiert: Österreich habe – ebenso wie Deutschland – immer darauf hingewiesen, dass es noch längere Zeit bei Einschränkungen der Reisefreiheit bleiben werde. Bei den Überlegungen zu Erleichterungen bei der Reisefreiheit gehe es nicht um die nächsten Wochen, sondern um die Entwicklung von Zukunftskonzepten, beginnend mit dem Sommer, hieß es am Sonntag auf Anfrage des STANDARD aus dem Tourismusministerium. Dazu sei Österreich mit allen Nachbarstaaten im Gespräch, die im Kampf gegen das Coronavirus ähnlich erfolgreich seien wie Österreich.

Auch die Regierungen von Tschechien oder der Slowakei verfolgen ähnliche Überlegungen, mit ihnen stehe Österreich ebenso in engem Austausch. Niedrige Infektionszahlen und der erfolgreiche Kampf gegen das Virus seien der Weg, der zur Wiedererlangung von Freiheiten führe. Die tschechische Regierung erwägt, die Grenzen des Landes im Juli wieder zu öffnen. Die Gespräche darüber mit Österreich und der Slowakei seien weit fortgeschritten, bestätigte Außenminister Tomáš Petrícek am Wochenende.

Tausende Klagen

Die österreichische Regierung wird vermutlich wegen der verhängten Betriebssperren mit tausenden Klagen aus der Tourismusbranche konfrontiert werden. In Tirol werde die Zahl der Entschädigungsanträge auf 3.500 geschätzt, in Salzburg könnten es laut Schätzungen der Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) mehr als 2.000 sein, hieß es in einem Bericht der Salzburger Nachrichten. Auch für die anderen Bundesländer müsste von tausenden Anträgen ausgegangen werden. Dem Staat drohen damit hunderte Millionen Euro an Forderungen. Zumindest für die ersten beiden Wochen der Sperren im März – als noch die alte Epidemiesperre anstatt eines Betretungsverbots galt – hoffen viele Tourismusunternehmer auf Entschädigungen. (Birgit Baumann, Michael Simoner, 3.5.2020)