Ebenbauer blickt in die ungewisse Zukunft: "Corona macht alles komplizierter, nicht schneller. Es nimmt die Geschwindigkeit raus."

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Die Hoffnungen der Fußballbundesliga, die Saison mit Geisterspielen sportlich zu beenden, sind gesunken. Zumindest bis zum 15. Mai ist nicht einmal das gemeinsame Training erlaubt. Das Gesundheitsministerium fordert, sollte ein Spieler oder Betreuer positiv auf Corona getestet werden, Quarantäne für alle Kontaktpersonen. Also auch für das gegnerische Team. Christian Ebenbauer, der Vorstandsvorsitzende der Liga, malt ein düsteres Bild.

STANDARD: Es schaut nach einem Kampf der Bundesliga gegen die Regierung um Geisterspiele aus. Kann er überhaupt noch gewonnen werden?

Ebenbauer: Die Liga kämpft prinzipiell für Spiele mit Zuschauern. Das geht momentan nicht. Unter den gegebenen Voraussetzungen versuchen wir, ein sportliches Ergebnis zu erreichen. Ob das möglich ist, ist nach dem Termin am vergangenen Donnerstag mit dem Sport- und Gesundheitsministerium, der ein echter Treffer, eine große Enttäuschung war, äußerst unsicher.

STANDARD: Ist es nicht ein Ritt auf der Rasierklinge, eine ethische Frage? Viele Fans sagen, brecht endlich ab.

Ebenbauer: Die Gesundheit steht an erster Stelle. Aber man braucht ein Ziel, eine Planungsmöglichkeit, eine Ahnung, wohin die Reise geht. Jeder Klub, egal ob Profi oder Amateur, muss sich um den Nachwuchs kümmern, Tickets verkaufen, mit Partnern und Sponsoren verhandeln. Wenn man nicht weiß, wann und unter welchen Bedingungen wieder gespielt werden kann, wird das schnell von der Sinn- zur Existenzfrage. Und der Treffer vom Donnerstag wird zum K.-o.-Schlag für den gesamten Mannschaftssport.

STANDARD: Sagen Sie, wenn die Baumärkte und Einkaufscenter offen haben, sollte es erlaubt sein, dass Profis in leeren Stadien unter Laborbedingungen kicken?

Ebenbauer: Es ist für die Spieler wichtig. Der erste wesentliche Schritt wäre, gemeinsam trainieren zu können. Sämtliche Spieler brennen darauf. Sie dürfen nur in Kleingruppen üben, in der Zweiten Liga nicht einmal das. Fußballer können im Schnitt 15 Jahre den Beruf ausüben, Geld verdienen. Sie wollen einfach ihrer Arbeit nachgehen. Wir wollen dem gesamten Publikum als Volkssport Nummer eins Matches und Abwechslung liefern, das wäre wichtig, ein Zeichen. Es geht darum, dass von der Spitze nach unten wieder Normalität einkehren darf. Kinder dürfen zur Schule gehen, sie sollen auch wieder Fußballspielen. Es gibt bei uns 300.000 aktive Fußballer und Fußballerinnen, davon 160.000 Jugendliche, in knapp 2.300 Vereinen. Sie sollen alle wieder trainieren und spielen dürfen.

STANDARD: Ist es ein Dilemma, dass das Sportministerium Dinge verspricht, die das Gesundheitsministerium nicht einhält oder nicht einhalten kann?

Ebenbauer: Ja, wir haben auf Basis der positiven Signale von Sportminister Werner Kogler gemeinsam mit Ärzten und Experten intensiv an dem Konzept gearbeitet, wie wir bestmöglich unter größten Sicherheitsauflagen den Betrieb aufnehmen können. Es ist halt das Gesundheitsministerium zuständig, unser Ansprechpartner ist aber das Sportministerium, und das Konzept war sogar lange vor diesem Termin öffentlich bekannt. Dass man uns nicht gesagt hat, dass es nicht möglich ist, trotz eines engmaschigen Testsystems kollektive Quarantäne zu vermeiden, ist bitter.

STANDARD: Deadline ist der 25. Mai, an diesem Tag verlangt die europäische Fußballunion Uefa von allen Ligen Klarheit, ob es weitergeht. Müsste die Uefa aber nicht selbst für Klarheit sorgen? Man weiß immer noch nicht, ob es heuer Europacup- und Länderspiele gibt.

Ebenbauer: Man soll melden, wenn man fix weiß, dass man die Saison nicht fertig spielen kann oder darf. Die nationalen Ligen genießen Vorrang, das Zeitfenster wurde geöffnet. Die Uefa versucht eben auch, ihre Bewerbe, etwa die Champions League, sportlich zu beenden. Das ist ihr gutes Recht.

STANDARD: Die große Uefa hat also dieselben Probleme wie die kleine österreichische Bundesliga. Es fehlt der Plan, oder?

Ebenbauer: Auf jeden Fall. Es betrifft ja 55 Staaten mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen. Wir müssen derzeit auf uns schauen.

STANDARD: Was wären die unmittelbaren Folgen eines Abbruchs?

Ebenbauer: Die Frage des Auf- und Absteigers muss rasch geklärt werden, das kann zu Gerichtsprozessen führen, wenn keine sportliche oder einvernehmliche Lösung gefunden wird. Bei Geisterspielen verlieren die Klubs viel Geld. Unsere Vereine leben von Tickets, Hospitality, Sponsoren und nicht so sehr von TV-Geldern wie in England oder Deutschland.

STANDARD: Wie wird der österreichische Fußball nach Corona ausschauen? Wann immer das auch sein mag.

Ebenbauer: Ich hoffe, dass die sportliche Kurve weiter nach oben zeigt. Wie haben auf allen internationalen Ebenen regelmäßig aufgezeigt. Junge Österreicher sollen weiter ausgebildet werden, es in eine große Liga schaffen. Wir sind eine Talentschmiede, das wollen wir uns bewahren. Bleibt aber der Status quo für die nächste Saison, geht es um die Existenz, das ist die Realität.

STANDARD: Schauen wir über den Tellerrand: Ein Virus schafft es, das Kartenhaus Fußball innerhalb von zwei Monaten ins Wanken, wenn nicht gar zum Einsturz zu bringen. Ist das nicht bedenklich?

Ebenbauer: Das ist in vielen Bereichen, nicht nur in der Unterhaltungsbranche so. Fußball ist die Weltsportart Nummer eins. Aber es ist überall im Sport so, dass man von Saison zu Saison denken muss. Wir in Österreich haben gemeinnützige Vereine, keine Profitgesellschaften, wir haben wenig Rücklagen. Wir sind nicht Apple.

STANDARD: Am 7 Mai steigt die Hauptversammlung. Die Zweitligaklubs Ried und Austria Klagenfurt haben einen Antrag auf Aufstockung der Tipico-Bundesliga von zwölf auf 14 gestellt. Was passiert?

Ebenbauer: Das ist die große Frage zwischen den Ligen. Da sind viele Knackpunkte. Soll man es nur für ein Jahr machen? Und wie viele Absteiger gibt es dann? Wir wollen objektiv alle Daten zur Verfügung stellen und diskutieren.

STANDARD:Es ist kein Geheimnis, dass man mittelfristig von zwölf auf 16 Klubs erweitern möchte und die Zweite Liga durch drei Regionalligen ersetzt. Wird der Plan vorgezogen?

Ebenbauer: Den ersten Punkt des Plans kenne ich, von einer Auflösung der Zweiten Liga weiß ich nichts. Wenn es infrastrukturell, wirtschaftlich und sportlich möglich ist, wäre eine Aufstockung eine Überlegung wert, das war auch das langfristige Ziel der letzten Reform. Es muss aber genügend Klubs geben, die aufsteigen wollen, auch aus den unteren Ligen. Corona macht alles komplizierter, nicht schneller. Es nimmt die Geschwindigkeit raus.

STANDARD: Die Lizenzierungskriterien wurden drastisch gelockert. Hat Corona die Budgets zumindest halbiert?

Ebenbauer: Die Uefa hat die Vorgabe gemacht, finanzielle Kriterien auszusetzen. Das wird die Hauptversammlung voraussichtlich beschließen. Jeder Klub wird nun nach seinem neuen Budget beurteilt.

STANDARD: Bis 31. August gilt ein Veranstaltungsverbot. Heißt das, man beginnt die neue Saison erst im September?

Ebenbauer: Wir würden sicher nicht im August ohne Zuschauer starten, wenn im September Zuschauer erlaubt wären.

STANDARD: Was passiert in den nächsten Tagen? Die Mehrheit der Zweitligaklubs möchte den Abbruch, weil eine Fortsetzung wirtschaftlicher Irrsinn wäre. Die Erste Liga will, darf aber noch nicht.

Ebenbauer: Bis Donnerstag war die Wahrscheinlichkeit höher, alles fertig zu spielen. Aber die Zweite Liga darf nicht einmal trainieren. Und unter den derzeitigen Bedingungen ist die Wahrscheinlichkeit für den Abbruch sehr hoch. Unter welchen Voraussetzungen in der Bundesliga gespielt werden kann, entscheiden nicht wir, sondern die Regierung. Wir müssen dann entscheiden, ob diese Vorgaben sportlich und wirtschaftlich Sinn machen. Noch gibt es Hoffnung.

STANDARD: Wie geht es Ihnen persönlich in Zeiten von Corona?

Ebenbauer: Ich komme wenig zum ruhigen Nachdenken und Planen. Wir sind eine Gemeinschaft von 28 Vereinen. Man muss die unterschiedlichen Interessen vereinen, objektive Maßstäbe ansetzen. Es ist unser Sinn und Zweck, eine Meisterschaft zu spielen. Ich bin im Hamsterrad, muss da aber raus, um den Blick auf die ungewisse Zukunft zu richten. (Christian Hackl, 4.5.2020)