"Musste sich früher die berufstätige Mutter rechtfertigen, ist es heute eher die Hausfrau", sagt Bernhard Riederer.

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Dass die Teilzeitquote vor allem bei Frauen immer weiter ansteigt, ist bekannt. Ebenso dass vor allem Frauen auf Teilzeit umsteigen, wenn sie Mütter werden. Kaum irgendwo sonst in Europa sind so viele Mütter in Teilzeit beschäftigt wie in Österreich: Die Teilzeitquote von Frauen liegt hierzulande inzwischen bei fast 50 Prozent.

Doch wie hat sich die stundenweise Lohnarbeit von Frauen mit Kindern in den letzten Jahrzehnten entwickelt? Und welche Auswirkungen hat Mutterschaft auf die Erwerbsarbeit von Frauen? Diese Fragen haben Wissenschafter*innen vom Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und vom Institut für Soziologie der Universität Wien untersucht. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift "European Sociological Review" veröffentlicht.

Teilzeitkraft- statt Vollzeithausfrau

Die Soziolog*innen Caroline Berghammer und Bernhard Riederer haben sich für ihre Untersuchung die Erwerbsarbeitsbiografien von Frauen der Geburtsjahrgänge von 1940 bis 1979 angesehen. Es zeigte sich, dass in der Generation der zwischen 1940 und 1949 Geborenen das Hausfrauenmodell noch relativ stark verbreitet war und rund die Hälfte der Frauen mit Kindern betraf (45 Prozent). Dieses Hausfrauenmodell spielt in der Generation der zwischen 1970 und 1979 Geborenen kaum noch eine Rolle. Bei der jüngeren Generation waren 80 Prozent der Frauen mit einem Kind im Volksschulalter wieder erwerbstätig. Aber: Diese Frauen der jüngeren Generation arbeiteten nach dem Wiedereinstieg weniger Stunden als bei der Generation der zwischen 1940 und 1949 geborenen Frauen. Früher war Teilzeit kaum verbreitet. Rund 73 Prozent der erwerbstätigen Mütter der älteren Generation im Alter von 36 bis 45 arbeiteten in Vollzeit.

Der steigende Anteil von Teilzeiterwerbstätigen bedeutet somit, dass zwar ingesamt mehr Mütter wieder auf dem Arbeitsmarkt sind, dass diese Mütter mit Kleinkindern aber durchschnittlich weniger Stunden arbeiten als früher. Erst mit Kindern im Volksschulalter verrichten die Mütter der jüngeren Generation durchschnittlich mehr Arbeitsstunden als in früheren Geburtsjahrgängen. In vielen Fällen bleibt die Teilzeiterwerbstätigkeit aber ein längerfristiges Engagement: Die Ergebnisse zeigen, dass viele Mütter in Teilzeit bleiben, bis ihre Kinder Teenager oder älter sind.

Vereinbarkeit ist noch immer Frauensache

Aber warum gab es mehr Vollzeit-beschäftigte Mütter bei der älteren Generation, wenn doch die Bedingungen für die Betreuung außer Haus weit schlechter waren als heute? Kindergartenplätze waren rar, auch schlossen Kinderbetreuungseinrichtungen deutlich früher als heute. Aus den vorhandenen Daten könne man dazu nichts herauslesen, sagt Riederer gegenüber dem STANDARD, "persönlich würde ich spekulieren, dass die Großmütter eine große Rolle bei der Kinderbetreuung eingenommen haben, möglicherweise auch andere Verwandte". Zudem habe sich die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten verändert, früher blieb man häufiger in der Nähe der Herkunftsfamilie und war weniger mobil. "Und dann gab es Frauen, die im Familienbetrieb arbeiteten, zum Beispiel im Handel, im Gastgewerbe, der Hotellerie oder in der Landwirtschaft, wo Wohnort und Arbeitsort nicht voneinander getrennt waren", meint Riederer.

Er betont, dass Teilzeit per se nichts Schlechtes sei, sondern eine Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren. Allerdings ist diese Vereinbarkeit eine Herausforderung, die noch immer Frauensache ist. Die Teilzeitquote von Vätern mit Kindern unter 15 Jahren beträgt aktuell sechs Prozent. Damit ist sie sogar geringer als die Teilzeitquote von Männern ohne Kinder, die bei elf Prozent liegt. Die Nachteile entstehen, je länger die Karenz und/oder die Teilzeit andauere, sagt Riederer. "Es wird schwieriger, Karriere zu machen, die Gehälter und Pensionen sind in der Regel deutlich geringer." Das führe für viele Frauen nach Scheidungen und im Alter zu Armut. Demnach sei die Dauer, die in Teilzeit verbracht wurde, entscheidend. Ebenso mache es einen großen Unterschied, ob jemand 12, 20 oder 32 Wochenstunden arbeitet.

Kluft zwischen kinderlosen Frauen und Müttern in Teilzeit

Die Studie zeigt auch eine neue Form der Ungleichheit unter Frauen auf: Aus der Kluft zwischen Hausfrauen und Frauen am Arbeitsmarkt wurde eine Kluft zwischen kinderlosen Frauen in Vollzeitbeschäftigung und Müttern, die Teilzeit arbeiten. "Die Trennlinien haben sich verschoben", sagt Riederer. "Musste sich früher die berufstätige Mutter rechtfertigen, ist es heute eher die Hausfrau." Derzeit hätten wir aber die Situation, dass Frauen eine dreifache Belastung treffe, sagt Riederer. Weiterhin sind Frauen häufig für Haushalt und Kinderbetreuung hauptverantwortlich, und dazu kommt noch die berufliche Arbeit. "Es ist zwar immer schwierig zu verallgemeinern, aber auf dem Arbeitsmarkt sind Mütter, die in Teilzeit arbeiten, häufig benachteiligt", sagt Riederer. Das beginne damit, dass die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten, nicht in allen Branchen und Unternehmen gleichermaßen gegeben ist, und ende damit, dass es in Teilzeit schwieriger ist, beruflich aufzusteigen.

Lohnarbeiten mit kleinen Kindern wird kritisch beäugt

Auch wenn heute Vollzeithausfrauen kritisch beäugt werden, berufstätige Mütter werden es bis zu einem gewissen Grad auch. Hat der stetige Teilzeit-Anstieg mit einer besonders konservativen Haltung in Österreich zu tun? Dass Berufstätigkeit insbesondere von Müttern mit kleinen Kindern in Österreich nach wie vor sehr kritisch gesehen wird, das zeigt auch die Studie: Unter den zwischen 1970 und 1979 geborenen Frauen waren im Alter von 35 bis 44 Jahren nach wie vor rund 50 Prozent der Ansicht, dass ein Vorschulkind unter der Berufstätigkeit der Mutter leidet. Gleichzeitig zeigt dies auch, dass es große Veränderung gab: Unter den zwischen 1940 und 1949 geborenen Frauen waren es im Alter von 35 bis 44 Jahren noch 80 Prozent, die so dachten. Riederer: "Insofern ist nicht verwunderlich, dass die Erwerbstätigkeit unter den Müttern über die Generationen hinweg erst bei Kindern im Kindergarten- und Volksschulalter angestiegen ist, während es bei der Erwerbstätigkeit der Mütter von unter Dreijährigen keine Veränderung gab." (beaha, 5.10.2020)