Frauen befassen sie oft erst mit ihren Finanzen, wenn sie schon in einer Notlage sind, sagt Marietta Babos.

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Marietta Babos: "Ich wünschte, dass sich Frauengenerationen in der Familie zu diesem Thema austauschten."

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Wie können Frauen finanziell vorsorgen? Welche Hürden müssen sie aufgrund ihrer Erwerbsbiografie nehmen? Und wie funktioniert der Finanzmarkt eigentlich genau? Die unabhängige Plattform Damensache organisiert neben dem "Tag der finanziellen Selbstbestimmung für Frauen" am 5. Mai Workshops und Vorträge, und Frauen können sich bei der Plattform auch individuell beraten lassen. Gegründet wurde Damensache von Marietta Babos, die die Erfahrung gemacht hat, dass sich viele Frauen erst dann mit dem Thema befassen, wenn bereits eine Notsituation da ist.

STANDARD: Warum haben Sie die Notwendigkeit gesehen, einen Tag der finanziellen Selbstbestimmung für Frauen ins Leben zu rufen?

Marietta Babos: Ich will erreichen, dass sich Frauen zumindest einmal im Jahr mit ihren Finanzen aktiv und bewusst auseinandersetzen. Das soll genauso selbstverständlich sein, wie dass man einmal im Jahr seinen Zahnarzt aufsucht oder einen Termin beim Frauenarzt vereinbart. Ein finanziell selbstbestimmtes Leben führen zu können ist ein sehr kostbares Gut, das ich jedem wünsche. Zweitens halte ich für Beziehungen auch sehr gesund, wenn nicht die finanzielle Not zwei Menschen zusammenhält. Meist entstehen dadurch verschobene Machtverhältnisse, das tut keinem der Beteiligten gut. Ein weiterer, besonders wichtiger Grund für die Notwendigkeit ist die später drohende Altersarmut, von der Frauen überdurchschnittlich betroffen sind. Konkret liegt der Frauenanteil an armutsgefährdeten Personen ab 65 Jahren bei 69,2 Prozent. Ich persönlich wurde auch zum ersten Mal mit diesem Problem konfrontiert, als meiner eigenen Mutter nur eine Pension nahe der Armutsgrenze zugesprochen wurde. Meine Mama ist kein Einzelfall, und das wollte ich unbedingt ändern.

STANDARD: Was sind die Herausforderungen dabei?

Babos: In einer Studie wurden junge Frauen, zumeist Jungakademikerinnen, zum Thema "Eigenverantwortung für die finanzielle Sicherheit und Rolle gegenüber dem Staat, dem Arbeitgeber und dem Partner" befragt. Dabei ist unter anderem herausgekommen, 84 Prozent der Frauen wollen ein wirtschaftlich selbstbestimmtes Leben führen. Ebenfalls wurde festgestellt, dass ein Viertel aller Befragten mindestens eine Frau in ihrem Umfeld kennt, die von Altersarmut betroffen ist. Auch ein Blick in die Statistik zeigt, dass insbesondere Frauen Gefahr laufen, ihren Lebensstandard im Ruhestand stark einschränken zu müssen. Während Männer im Jahr 2019 durchschnittlich eine Alterspension von 1.727 Euro im Monat bezogen, erhielten Frauen im Durchschnitt nur 1.064 Euro. Wir schlittern auf einen Pensionswandel ähnlich dem Klimawandel zu. Frauen müssen sich dieser Gefahr bewusst sein.

STANDARD: Wann beginnen Frauen sich um ihre Finanzen zu kümmern?

Babos: Meine Erfahrung ist, dass viele Frauen erst in Notsituationen darauf kommen, wie wichtig das Thema gewesen wäre. Typischerweise passiert es bei der Scheidung/Trennung vom Partner oder wenn sie ihren Pensionsbescheid bekommen. Durch meine Vorträge vor mittlerweile über 3.000 Frauen sehe ich allerdings, dass immer mehr Frauen sich dafür interessieren. Nichtsdestotrotz: Selten sind ihnen alle Stolpersteine in der weiblichen Erwerbsbiografie, auf die sie achten sollen, so im Detail bewusst. Für viele ist auch der Pensionsschock der eigenen Mutter ein Anstoß, der zum Umdenken und Handeln bewegt. Auch prägend ist, wenn jemand eine alleinerziehende Mutter hatte und die finanziellen Herausforderungen mitbekommen hat. Ich wünschte, dass sich Frauengenerationen in der Familie zu diesem Thema austauschten. Rollenvorbilder sind so wichtig.

STANDARD: Was ist mit den vielen strukturelle Hürden – von der fehlenden Kinderbetreuung bis hin zum fehlenden Einsatz von Vätern bei der Familienarbeit? Gegen diese Probleme kann eine einzelne Frau wenig tun.

Babos: Selbstverständlich drängt der Mangel an oder gar fehlende Kinderbetreuung viele Frauen in die Teilzeitarbeit, oder sie bleiben ganz bei den Kindern zu Hause – vor allem in ländlichen Gebieten. Die Teilzeitquote bei Frauen zwischen 25 und 49 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren liegt aktuell bei 75 Prozent und wird sich mit der Corona-Krise noch erhöhen. Die meisten sind sich zwar dessen bewusst, dass sie durch Teilzeitbeschäftigung eine geringere Pension bekommen werden. Wie groß die Pensionslücke aber tatsächlich ist, unterschätzen viele. In Österreich gibt es daher seit über vierzehn Jahren die Möglichkeit des Pensionssplittings. Damit können bis zu 50 Prozent der Pensionsgutschrift des berufstätigen Elternteils nach der Geburt des Kindes auf den Partner, der sich der Kindererziehung widmet, übertragen werden. Dieser bekommt eine entsprechende Gutschrift auf sein Pensionskonto, bis das Kind das zehnte Lebensjahr vollendet hat. Von 2010 bis 2018 wurden in ganz Österreich dennoch nur 1.366 Anträge gestellt. Somit bleibt das Pensionssplitting eine kaum genutzte Möglichkeit, da noch immer zu wenige wissen, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt. Vonseiten der Bundesregierung gibt es übrigens den bereits konkret gewordenen Plan, dass das Pensionssplitting künftig für Eltern automatisch gilt. Allerdings soll es ein einmaliges und zeitlich befristetes Opting-out geben. Eine zwingende Verpflichtung gibt es also nicht. Freiwillig soll das Pensionssplitting für jede Form der Partnerschaft möglich sein. Das sind positive Entwicklungen.

STANDARD: Sie sagen, Frauen sollten anders sparen aufgrund Ihrer Erwerbsbiografie. Hätten Sie dafür ein Beispiel, inwiefern anders?

Babos: Nach der Ausbildung finden viele Frauen den Partner fürs Leben, mit dem sie ein Eigenheim gründen und der erste Kinderwunsch in Erfüllung geht. Mit der ersten Babypause, meist gefolgt von einer zweiten, ist eine Frau durchschnittlich zwei bis vier Jahre weg vom Job. Zugunsten der Kindererziehung arbeiten viele Frauen dann jahre- oder jahrzehntelang in Teilzeit. Zudem lag die Scheidungsrate in Österreich 2018 bei über 40 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass man als Frau in eine solche Situation gerät, ist dementsprechend hoch. Dies kann schnell zu einer finanziellen Schieflage führen, wenn der Expartner großteils für die Versorgung zuständig war. Wenn also einige Jahre Teilzeitanstellung zugunsten der Kindererziehung oder gar ein Knick in der Karriere auf eine Scheidungsrate von über 40 Prozent sowie eine längere Lebenserwartung treffen, ist die Altersarmut von Frauen vorprogrammiert. Wie ich schon erwähnt habe, die durchschnittliche Alterspension von Frauen beträgt 1.064 Euro, die Altersarmutsgrenze bei Einpersonenhaushalten in Österreich liegt bei 1.200 Euro.

STANDARD: Was kann man tun?

Babos: Idealerweise gleich zu Beginn des ersten Jobs zehn bis 15 Prozent des Nettoeinkommens für die Pensionsvorsorge sparen. Wenn ein Kind kommt, dann darf die Frau bitte keinesfalls ihre Pensionsvorsorge stoppen. Viele machen den Fehler, weil "sie weniger Geld verdienen und es sich nicht leisten können". Ich vertrete die Meinung, dass es ab dem Zeitpunkt eines gemeinsamen Kindes eine Familienfinanzangelegenheit und nicht nur "ihr Problem" ist. Mathematisch gesehen sollte man die Summe sogar aufstocken, damit man den finanziellen Folgen für die Karriere und die Pension entgegenwirken kann. Ich bin schon mal froh, wenn es zumindest aufrechterhalten bleibt. (Beate Hausbichler, 4.5.2020)