Maria Rauch-Kallat kaufte als Gesundheitsministerin sieben Millionen Schutzmasken.

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Nur dreimal war das Gesundheitsministerium bislang unter der Ägide der ÖVP. Am längsten amtierte Maria Rauch-Kallat als schwarze Gesundheitsministerin, die ab 2002 mit einer Coronavirus-Pandemie zu tun hatte: mit Sars-CoV. Weltweit starben daran 774 Menschen, Europa wurde weitgehend verschont. Ein Jahr später begann dann die Ausbreitung des Vogelgrippe-Virus H5N1, die zur Erstellung des ersten Pandemieplans für Österreich führte.

Kritikern bleibt Rauch-Kallat mit dem "mega-affen-titten-geilen" Gesundheitspass und dem Ankauf von sieben Millionen Masken während der Vogelgrippe in Erinnerung. Zumindest Letzteres erweist sich jetzt als nützlich – die Masken sind in der Coronavirus-Krise erstmals im Einsatz.

STANDARD: Sie waren während Ihrer Amtszeit mit Sars und der Vogelgrippe konfrontiert. Hatten Sie Angst vor einer Situation, wie wir sie jetzt erleben?

Rauch-Kallat: Ja – es war uns schon klar, dass im schlimmsten Fall das öffentliche Leben stillstehen kann. Aber dieser Kelch ist Gott sei Dank an uns vorübergegangen. Die Vogelgrippe war ja primär in Asien. Es gab in Europa infizierte Vögel, aber keinen Todesfall bei Menschen.

STANDARD: Was waren damals Ihre Sorgen?

Rauch-Kallat: Genau wie jetzt bei Covid-19 bestand die Gefahr, dass sich rasche Ansteckungsketten bilden, weil Menschen schon infektiös sind, bevor sie Symptome zeigen. Im Unterschied zum Covid-19 war aber klar, dass das Vogelgrippe-Virus nur bei Kälte überleben kann.

STANDARD: Sie haben damals neun Millionen Schutzmasken bestellt, es gab Ermittlungen und viel Häme. Was ist da passiert?

Rauch-Kallat: Der Pandemieplan hat damals vorgesehen, dass man Schutzmasken für medizinisches Personal auf Vorrat halten muss. Außerdem ging es darum, möglichst die ganze Bevölkerung zu schützen. Daher haben wir schon damals die Supermärkte für die Idee der Maskenverteilung gewinnen wollen – die haben sich aber ziemlich geziert.

STANDARD: Warum waren die Supermärkte nicht so begeistert?

Rauch-Kallat: Die Aktion machte ja nur Sinn, wenn die Masken günstig angeboten werden, also kein Profit anfällt. Die Supermärkte gaben dann ihr Okay für den November 2006, weil sie im Dezember den Platz in den Filialen für Weihnachtsartikel brauchten. Also haben wir erheben lassen, wie viel Prozent der Haushalte Masken bevorraten würden. Bei zehn bis zwanzig Stück pro Familie und Woche kam man auf neun Millionen Masken.

STANDARD: Die dann aber nicht verkauft wurden?

Rauch-Kallat: Der November 2006 war bacherlwarm, von der Vogelgrippe gab es keine Spur. Die Hersteller hatten Angst, dass Baufirmen die Masken dann unterpreisig aufkaufen. Deswegen hat sich die Republik verpflichtet, Restbestände zu erwerben. Rund sieben Millionen Masken blieben übrig und wurden erworben. Davon gingen welche als Hilfsmaßnahmen an das Rote Kreuz oder zum Beispiel in die Ukraine. Restbestände wurden jetzt gefunden und waren trotz abgelaufenen Haltbarkeitsdatums noch benutzbar – so gesehen habe ich mich gefreut, dass eine sinnvolle Verwendung möglich ist.

STANDARD: Für den Maskenkauf gab es auch eine Rüge des Rechnungshofs. Der forderte zudem mehr sogenannte Effizienz bei Intensivkapazitäten. Wie kann man das jetzt angesichts der Pandemie beurteilen?

Rauch-Kallat: Wir sind weltweit im obersten Bereich, was die Versorgung mit Intensivbetten betrifft. Das ist gut für alle, die eins brauchen – aber wir waren auch jetzt nie am Rand der Kapazitäten. Demzufolge kann man sicher einige reduzieren und überprüfen, ob für Covid-19 nicht auch spezielle Betten mit Beatmungsgeräten ausreichen.

STANDARD: Zurzeit wird darüber diskutiert, ob die Bundesregierung der Bevölkerung "Angst" gemacht hat, damit sie vorsichtiger agiert. Wie sehen Sie das? Wäre das eine legitime Strategie?

Rauch-Kallat: Man muss schon auf die Gefahr hinweisen. Viel schlimmer wäre es, das Virus zu verharmlosen. Wir wussten und wissen so wenig über Covid-19, im Zweifel sollte man eher vorsichtig sein. Wir sehen ja, was der britische Premier Boris Johnson gemacht hat – von Trump will ich gar nicht reden. Jetzt redet Johnson auch nicht mehr von einer Art Grippe bei Covid-19. Die Performance von Türkis-Grün war ausgezeichnet.

STANDARD: Jetzt werden Stimmen laut, man müsse Tote in Kauf nehmen, um dafür die Wirtschaft zu retten.

Rauch-Kallat: Das lässt sich leicht sagen, solange es einen nicht selbst trifft.

STANDARD: Wird in der Krise deutlich, dass es frauenpolitisch noch viel zu tun gibt?

Rauch-Kallat: Frauen leiden in stärkerem Maß unter der Corona-Krise. Gott sei Dank gibt es auch Väter, die sich kümmern, aber meistens bleibt es an den Frauen hängen. Es gibt eine Menge zu tun. Wir müssen auch genau schauen, inwiefern die alltägliche Gewalt zugenommen hat.

STANDARD: Was bleibt uns von der Corona-Krise, wenn es eine Impfung gibt?

Rauch-Kallat: Ich hoffe schon, dass wir uns wieder die Hände geben werden. Aber vielleicht behalten wir etwas Entschleunigung bei. Es gibt viele in meinem Umfeld, die wie ich sagen: Vielleicht ist es nicht notwendig, überall vor Ort zu sein. Viele Sitzungen funktionieren online tadellos. Die berufliche Reisetätigkeit wird zurückgeschraubt werden, der Digitalisierungsschub bleiben. Aber gewisse Dinge will ich schon noch analog erleben. (Fabian Schmid, 5.5.2020)