Im Gastkommentar erklärt Religionswissenschafter Ednan Aslan wie sich Moscheen, die durch die Corona-Krise in existenzielle Bedrängnis geraten, durch Fusionen aus der Abhängigkeit ausländischer Gönner befreien könnten.

Der Fastenmonat Ramadan ist für Muslime eine besondere Zeit, eine Zeit, die nicht nur den praktizierenden Gläubigen, sondern auch den weniger Frommen Anlass gibt, die Moscheen aufzusuchen und an der Vielzahl an Feierlichkeiten und spirituellen Ritualen teilzunehmen. Dabei erschöpft sich die Bedeutung des Ramadan keineswegs in seiner religiösen Funktion: Für die Moscheen ist er auch in finanzieller Hinsicht höchst relevant, erlaubt er ihnen doch, vermehrt Spenden einzunehmen, mit denen ein Großteil der jährlichen Ausgaben bestritten wird.

Das Corona-bedingte Versammlungsverbot setzt viele Moscheen unter Druck.
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In diesem Jahr ist nun alles anders: Nicht nur werden spendenfreudige Gläubige den Moscheen fernbleiben. Einen zusätzlichen schweren Schlag – dessen Wirkung weit über den Ramadan hinausgeht und der die Moscheen vor ernsthafte Schwierigkeiten stellt – bedeutet die drohende Absage der Pilgerfahrt nach Mekka, deren Organisation den Moscheen üblicherweise beachtliche Gewinne für ihre Gemeinden beschert, sowie der zumeist in den Sommermonaten stattfindenden Straßenfeste.

Dies wird – in Kombination mit dem Umstand, dass die Tore der Moscheen auch für das Freitagsgebet geschlossen sind – viele Moscheen in ihrer Existenz bedrohen, selbst wenn sie versuchen, durch diverse Maßnahmen wie die Online-Übertragung von Gebeten und Spendenaufrufe ihre Ausgaben teilweise zu decken.

Kein entsprechender Bedarf

Was mich jedoch in diesem Zusammenhang interessiert, ist eine ganz andere Frage, nämlich die nach den Lehren, die die Betreiber von Moscheen, und ganz besonders die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), aus dieser Krise ziehen könnten. Denn sollte es der IGGÖ nicht zu denken geben, dass so viele Moscheen offensichtlich nicht in der Lage sind, sich finanziell über Wasser zu halten?

Dazu ist anzumerken, dass es in Wien, aber auch in anderen Großstädten Stadtteile gibt, in denen in einer einzigen Straße sich eine Moschee an die andere reiht. Dass einem solchen Zuwachs kein entsprechender Bedarf gegenübersteht, liegt auf der Hand. Tatsächlich sind es weniger die spirituellen Bedürfnisse der ortsansässigen Muslime als vielmehr politische und theologische Differenzen zwischen den jeweiligen Betreibern, denen dieser Zuwachs zu verdanken ist.

Aus Abhängigkeit befreien

Nun ergäbe sich für die IGGÖ die Chance, Moscheen zu fusionieren und dabei gleichzeitig bestimmte – theologische wie finanzielle – Standards zu etablieren. Dadurch wäre zum einen gewährleistet, dass die Moscheen den Gläubigen ein qualitativ besseres Angebot machen können.

Zum anderen wäre dies für die Betreiber eine Gelegenheit, sich von der politischen und theologischen Abhängigkeit ihrer im Ausland ansässigen Gönner zu befreien und sich an den gesellschaftlichen Gegebenheiten auszurichten, unter denen sie tätig sind. Damit entfiele für sie auch die Notwendigkeit, Spendengelder in ihre Heimatländer oder in andere Länder zu transferieren – als Gefälligkeit dafür, dass diese ihnen helfen, ihre politischen und theologischen Interessen zu sichern.

IGGÖ-Lehre anerkennen

Alle diese Moscheen werden offiziell von der IGGÖ vertreten. Wäre es dann nicht zu erwarten, dass sie auch deren Lehre als verbindlich anerkennen? Wenn dem so ist, wenn die Moscheen sich wirklich der Lehre der IGGÖ verpflichtet fühlen, dürften sie einer Fusion mit Blick auf die Kontextualisierung und die Beheimatung der islamischen Theologie in eben jener Gesellschaft, in der die Menschen, die sie ansprechen und erreichen wollen, leben, nichts entgegenzusetzen haben.

Zweifelsohne ist es die Pflicht der IGGÖ, den Moscheen finanziell beizustehen. Jedoch täte sie gut daran, dafür zu sorgen, dass diese Hilfe in Maßnahmen fließt, die die Zukunftsfähigkeit dieser Moscheen auf vernünftige, weil im Einklang mit den Interessen der Gesellschaft und damit ihrer Gemeinden stehende Weise sichern. (Ednan Aslan, 5.5.2020)