Sie lagern in Parks und lungern auf Bänken, sie fahren sinnlos mit dem Fahrrad in der Gegend herum und tragen ihre Masken nicht ordentlich oder gar nicht. Wiener halt: unvernünftig, unverständig, unhygienisch. Während alle anderen in allen anderen Bundesländern brav daheimbleiben und ihre Gärten pflegen.

So ungefähr sieht das Bild aus, das türkise – und zum Teil auch grüne – Politiker zurzeit zeichnen. Kein Wunder, dass die Wiener derzeit weder in ihren Wochenendhäusern auf dem Land noch an den Seen gern gesehen werden.

Ein neuer Kantönligeist greift um sich. Es ist wohl kein Zufall, dass er dies knapp fünf Monate vor den Wahlen in Wien tut. Dass die Neuansteckungsrate über das Wochenende hinaufschnellte, war da nur ein weiterer Beleg.

Das Johann Strauss Denkmal im Wiener Stadtpark.
Foto: APA/HANS PUNZ

Die Realität ist freilich eine andere: Seit Wochen bemühen sich die Einwohner der Bundeshauptstadt redlich um soziale Distanz und Disziplin. Niemand mehr schüttelt, alle waschen Hände. Masken sind mittlerweile Teil des Stadtbildes. Wochenlang waren Straßenzüge und Parks menschenleer. Man wich einander aus, so gut es ging – und das ging gut, solange (fast) alle daheimblieben.

Lockdown gut gemanagt

Mittlerweile hat die Bundesregierung die De-facto-Ausgangssperre wieder gelockert. Davon machen die Menschen ausgiebig Gebrauch. Das sieht in einer Millionenstadt naturgemäß anders aus als auf dem Land, wo die Siedlungsdichte geringer und der Eigengartenanteil wesentlich höher ist. Die meisten halten sich weiter strikt an die Vorgaben, wenige sind unvernünftig. Am Montag steckten sich 13 Menschen neu an, während 47 wieder genasen. Das entspricht 0,02 Promille der Wiener Gesamtbevölkerung.

Die Wiener Stadtregierung machte ihre Sache alles in allem gut: Die Intensivstationen der Stadt waren zu keinem Zeitpunkt überlastet, der Lockdown wurde gut gemanagt, Erkrankungen und Neuinfektionen sind deutlich niedriger als in anderen Millionenstädten. Die wirtschaftlichen Soforthilfen der Stadt greifen zum Teil rascher als jene auf Bundesebene. SPÖ und Grüne in Wien müssen sich ebenso wenig für ihr Krisenmanagement genieren wie ÖVP und Grüne im Bund.

Man könnte einander also einfach leben lassen. Stattdessen wird Wahlkampf betrieben – auf den Rücken jener Stadtbewohner, die in den vergangenen sieben Wochen unter schwierigen Bedingungen ihr Bestes gegeben haben. Das haben sich die Wienerinnen und Wiener nicht verdient. (Petra Stuiber, 4.5.2020)