Erdrutsche können in alpinen Gebieten dramatische Folgen haben.
Foto: APA/FF KAPRUN

Wien/Salzburg – Im alpinen Gelände können Erdrutsche Flüsse und Bäche blockieren und das Wasser aufstauen. Das kann sowohl flussaufwärts als auch unterhalb der Blockade für Überschwemmungen sorgen: Oberhalb staut es sich und größere Areale können schnell unter Wasser geraten, flussabwärts hätte ein Bruch des natürlichen Dammes verheerende Folgen. Nun haben österreichische Wissenschafter eine landesweite Risiko-Landkarte für solche Erdrutsch-Flussblockaden erstellt. Die Arbeit wurde bei der virtuellen Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) vorgestellt.

Das Team um Anne-Laure Argentin vom Fachbereich Geographie und Geologie der Universität Salzburg löste an allen möglichen Stellen in den österreichischen Bergen virtuelle Erdrutsche aus und berechnete mit einem Computermodell (dem Open Source Fluiddynamik-Programm "Gerris") anhand der örtlichen Geländeform (Topographie), wo sich das von den Hängen stürzende Material in den Flusstälern ansammelt. "Manchmal verändert es das Flussbett nur ein bisschen und drängt das Wasser zum Beispiel ein wenig auf die Seite", erklärte sie: "Manchmal kann es aber auch einen Damm bilden, vor dem sich ein See aufstaut".

Ötztal-Blockade vor 3.000 Jahren

Das ist unter anderem in Neuseeland 2016 nach dem Kaikoura Erdbeben passiert und Argentin konnte dort mit Kollegen solche von Erdrutschen verursachte Seen dokumentieren und untersuchen. Es geschah auch schon in Österreich, zum Beispiel sei das Ötztal in den vergangenen 12.000 Jahren mindestens fünf Mal blockiert worden, berichtete ein Forscherteam im Jahr 2018. Obwohl die jüngste Ötztal-Blockade 3.000 Jahre her ist, habe das Flussprofil danach immer noch keinen Gleichgewichtszustand wiedererlangt.

Die größten in den Computersimulationen der aktuellen Studie hinter Erdrutschdämmen aufgestauten Seen hätten ein Volumen von bis zu 10 Millionen Kubikmetern, erklärte Argentin. Das entspricht etwa dem Stauvolumen von mittelgroßen Talsperren für Wasserkraftwerke, wie dem Salza-Stausee in der Steiermark (11 Mio. Kubikmeter). Besonders gefährdet für große Erdrutsch-Stauseen sind tiefe, V-förmige Alpentäler, weil dort viel eher das ganze Tal versperrt werden könnte, als in breiteren U-Tälern, sagte sie.

Wichtiges Puzzleteil fehlt

Mit der ersten Risiko-Landkarte für Erdrutsch-Flussblockaden haben man eine oftmals vernachlässigte Gefahr erfasst, so die Forscher. Um sie unmittelbar nutzen zu können, für einzelne Regionen konkrete Gefährdungspotenziale festzustellen, fehlt allerdings noch etwas: Gute Modelle, um die Wahrscheinlichkeit zu erfassen, ob an einem Talhang überhaupt ein Erdrutsch passiert. (red, 11.5.2020)