Krisen machen erfinderisch, das zeigten Stadtverwaltungen unterschiedlicher Städte in den letzten Wochen. Wenn es darum geht, das ohnehin eingegrenzte Leben von Bewohnenden zu verbessern, werden Dogmen über Bord geworfen und wird Neues probiert. Leere Straßen und Stadtautobahnen zeigten, dass man doch nicht nur auf das Auto setzen sollte, wenn es um Mobilität geht. Im kleineren Maßstab erfolgt ein Umdenken, auch in Österreich. Innsbruck erklärt (zumindest) drei Straßen zu Fußgängerstraßen und gibt die Fahrbahn auch für Fußgänger frei. In Wien hat der grüne Vorschlag Straßen zu sperren einen Koalitionsstreit ausgelöst. Kaum vorstellbar, wie lange man herumlamentieren kann wegen der läppischen temporären Sperrung einiger Gassen, in denen ohnehin kaum Autos fahren.

Andere Städte und Länder denken da radikaler. Vilnius etwa erklärt das ganze Stadtzentrum zum Gastgarten. Auch wenn es vielleicht ein wenig zu kommerzialisiert werden könnte, ist dies doch ein guter Anfang. Dieses Umdenken verweist auf den Ursprung unserer Städte: Stadtraum wurde für zu Fuß Gehende konzipiert, alles andere, wie die Planungen der Nachkriegsjahre, waren Fehlentscheidungen. Auch das Fahrrad eignet sich bestens zum Abstandhalten, vorausgesetzt, Fahradwege sind breit genug. Wenn sie zu eng sind, entstehen Konflikte und Distanzhaltung wird schwierig. Je näher auch der Sommer rückt, desto schwieriger wird die Distanzhaltung insgesamt sein. Sollte der heurige Sommer so heiß werden wie der letzte, wird es hart. Da sind freie und gut durchlüftete Areale, Schatten und Pflanzen gefragt. Je mehr davon zur Verfügung steht in einer Stadt, desto entspannter wird sich auch wieder so etwas wie Öffentlichkeit entwickeln können.

Der Blick von der Nibelungebrücke auf das Areal zeigt die Qualitäten, die es haben könnte.
Foto: Frank Schwenk

Ein Autokino im Zentrum. Absurd?

Während also Städte allerorts vermehrt auf Raum für Fußgänger und Radfahrende setzen, macht sich der Vizebürgermeister von Linz, Markus Hein (FPÖ) für das Gegenteil stark. Er möchte ein Autokino realisieren, und das nicht am Rand der Stadt (wo es hingehört, wenn überhaupt), nein, er will es mitten im Stadtzentrum, nur einige Minuten vom Linzer Hauptplatz entfernt. Am Areal des sogenannten Urfahraner Marktes, nur durch die Nibelungenbrücke vom Hauptplatz getrennt, soll dieses Autokino nun realisiert werden, für 250 Autos, mit einer aufblasbaren Leinwand. Wie bitte? Ein Autokino im Zentrum? Man würde glauben, es handle sich um einen Scherz, aber leider nein.

Ein Workshop von Architekturstudierenden hatte schon vor einigen Jahren eine Vorahnung.
Foto: Sabine Pollak

Überall, von Paris bis Bogota, versucht man, Autos aus der Stadt wegzubringen. Sie sollen weder unterirdisch parken noch langsam durch Wohnstraßen fahren, nein, sie sollen erst gar nicht in die Stadt hinein. In Linz macht man nun das Gegenteil. Vizebürgermeister Hein holt täglich 250 neue Autos auf ein Areal, das das beste und zentralste Naherholungsgebiet sein könnte. Lange Zeit wurde die Fläche zwischen den Markttagen (zweimal jährlich) als Parkplatz genutzt. Dann entdeckte man, dass Parken auf Grund der Widmung hier gar nicht erlaubt ist. Also entfernte man weitgehend die Parkplätze, eine wahrlich gute Tat. Und nun sollen wieder Autos her? Und abends an- und wegfahren? Sich durch Urfahraner Straßen stauen? Das ist absurd und das falsche Signal!

Architekturstudierende der Kunstuniversität Linz: Kultur ist besser als Parkplatz.
Foto: Sabine Pollak

Parkplätze Stadt Wiese, wieder einmal.

Vor einem Jahr wurde die Urbanistik der Kunstuniversität Linz von der Stadt Linz und Vizebürgermeister Hein mit einer Nutzungsstudie für das Areal des Urfahraner Marktes beauftragt. Das resultierende Konzept schlug eine ganzjährige Programmierung mit Kunst- und Kulturschaffenden vor, eine Bodenmarkierung für Sportaktivitäten, das Schaffen von Grüninseln, kleine Infrastrukturen für Erfrischungen sowie eine temporäre Wiese über den Sommer. Das Areal sollte für alle Leute aus Linz nutzbar werden. Das ist nun alles hinfällig.

Temporäre Bespielung benötigt wenig Infrastruktur. Ein Autokino hingegen verhindert alles.
Foto: Sara Hammer
So hätte es sein können, Grüninseln, Spielzonen, Schattenelemente.
Foto: Sara Hammer

Nun wird weiter asphaltiert, werden Parkplätze neu fixiert und wird der Platz unnutzbar für Kinder und Jugendliche. Die jetzt angesprochene Zielgruppe beschränkt sich auf Autofahrende. Das ist alles andere als nachhaltig, ein ökologisches Desaster und schließt ganze Bevölkerungsgruppen aus. Es ist klar, dass nicht alle Konzepte aufgrund der derzeitigen Einschränkungen in der Öffentlichkeit sofort umsetzbar wären. Man hätte aber längst mit den Grüninseln starten können, mit der in der Studie vorgeschlagenen Belebung der Uferzone sowie mit dem Ausweisen von Zonen, wo eine Wiese wachsen könnte, und sei es nur für einige Monate. Das ist nun wohl verpatzt. 1982 ließ der Künstler Joseph Beuys 7.000 Eichen in Kassel pflanzen. Man könnte nun auf dem Areal 250 Bäume pflanzen, das wäre eine schöne Geste. Aber nun kommen Autos statt Bäume, Fahrspuren statt Boulebahnen und Parkplätze statt Spiel- und Grünflächen. Ich liebe Linz, es ist ungewöhnlich, hat eine rebellische Kunstszene, die Donau fließt mitten durch die Stadt und es organisiert großartige Festivals. Aber das, Herr Vizebürgermeister Hein, ist letztklassig. (Sabine Pollak, 7.5.2020)

Die von der Stadt Linz in Auftrag gegebene Nutzungsstudie zum Areal des Urfahraner Marktes wurde von Sabine Pollak und Frank Schwenk, Architektur und Urbanistik an der Kunstuniversität Linz durchgeführt.

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