Wer derzeit mit Künstlern spricht, denen er gemeinhin bei Konzerten und Opernaufführungen applaudiert, bemerkt: In die Existenzsorgen ob wegbrechender Engagements mischt sich ein Gefühl der Verbitterung. Es rührt von der Behandlung durch die Musiktempel her, die den Sängerinnen und Sängern oft per kalten Brief mitgeteilt haben, für Shutdown-bedingt ausgefallene Aufführungen kein Honorar zu zahlen. Der Faktor "höhere Gewalt" würde eine Abschlagszahlung verhindern.

Viele Künstlerinnen und Künstler fallen wegen Covid-Absagen um ihre Gagen um.
Foto: APA/Jan Frankl

Schon jener von der Regierung zurzeit gerne bemühte "Hausverstand" warnt jedoch, dass über diesem Begriff eine "höhere Gerechtigkeit" thronen müsse. Subventionierte Häuser haben die ethische Verpflichtung, gegenüber jenen finanzielle Kulanz zu zeigen, von deren künstlerischen Leistungen sie leben.

Natürlich muss Kulanz rechtlich abgesichert und finanziell ermöglicht sein. Die Politik, die ja helfen will, "koste es, was es wolle", hat also auch im Kulturbereich Recht und Gerechtigkeit in Einklang zu bringen und nötige Mittel bereitzustellen – auch abseits der großen Kulturtempel. Künstler sollen nicht gezwungen werden, den Fall auszujudizieren. Schließlich wird man sie, wenn die neue wieder der alten Normalität weichen sollte, hoffentlich lieber auf der Bühne sehen wollen statt im Gerichtssaal, um mit ihnen über angeblich "höhere Gewalt" zu streiten. In Deutschland wurde das Problem übrigens gelöst. (Ljubiša Tošić, 5.5.2020)