Das Team von All Reis stellt selbst zu und versteht es, dabei Lebensfreude zu verbreiten.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Auf der Straße essen Thais nicht so gern, da kann das Street-Food noch so variantenreich und vor Frische berstend sein. Verständlich bei den Temperaturen, der Luftfeuchtigkeit, dem Heizturbo des Großstadtbetons: Wenn schon schwitzen, dann aus Gründen der Köstlichkeit. Phrik, aber echt jetzt!

Also nimmt man lieber heim, was die Garküchen an Herrlichkeiten zubereiten. Die durchsichtigen Plastiksackerln, in die Currys und Nudelsuppen, Pad Thai und Papayasalat, Tom Yum und Mango mit Sticky Rice gefüllt werden, mögen dem hierorts beamteten Bedenkenträger zu fragil erscheinen. Dabei sind sie an minimalistischer Eleganz kaum zu übertreffen – auch, weil die so gelebte Transparenz das Habenwollen, den Appetit, die Lust aller anderen ankurbelt. Gerade in Zeiten des dräuenden Gastrogemetzels ist das ein kaum zu überschätzender Faktor.

Mit solch einer Tradition im Gepäck verwundert nicht, dass Thaiküche auch lauwarm hinreißend schmeckt. In Wien lässt sich das seit ein paar Wochen auch im Lock-down-Modus nachprüfen – seit nämlich mit dem All Reis der beste Thai der Stadt auf Lieferservice umgestellt hat.

Der Radius wurde seit dieser Woche vom 15. auf die Bezirke sechs und sieben ausgedehnt, alle anderen müssen sich das geile Zeugs selber holen. Dafür liefern aber auch ausschließlich Mitarbeiter. Und die sind im Fall des All Reis halt nicht nur gut gelaunt und freundlich, sondern – in Zeiten der Dauerjogginghose ein verstörend attraktiver Anblick – mitunter sehr bemerkenswert aufgebrezelt.

Dass die Preise auch hier ein Alzerl angezogen haben, ist keineswegs ungebührlich – nicht nur, weil die Lieferung im Fall des All Reis gratis ist, sondern vor allem, weil ein Restaurant aus Prinzip nur als Mischkalkulation funktioniert. Wenn plötzlich alles Cash aus dem Getränkeverkauf wegbricht, blicken auch die ganz fixen unter den Neozustellern plötzlich in ein Loch.

Die Sommerrollen, mit Huhn und Erdnuss in Kräuter gewickelt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Speisekarte ist im Vergleich zur Normalität fast unverändert. Nur Wasserspinat und, schluchz, Betelblätter gab es wegen fehlender Luftfracht aus Südostasien die vergangenen Wochen gar nicht. Deswegen ist aber nicht alles gleich empfehlenswert. Wer etwa knusprig Frittiertes wie Frühlingsrolle oder gebackenen Fisch mit Basilikum ordert, muss gleich im Auto, auf dem Parkplatz vorm Restaurant zu essen beginnen – oder mit aromatisierter Wellpappe vorliebnehmen.

Tropischer Aromenschauer

Aber sonst? Schmeckt das Essen sogar noch besser als zuletzt bei vollem Restaurantbetrieb. Die Sommerrollen, mit Huhn und Erdnuss in Kräuter gewickelt, werden in eine böswillig köstliche Dip-Kombo aus grünem Chili, Limette und Knoblauch getunkt – zum Schädeldecke-Abheben gut.

Juckend scharfer Papayasalat mit getrockneten Shrimps (wahre Duftbomben der Daseinswonne!) geht wie ein düster erfrischender Aromenschauer auf die Papillen nieder. Aber auch der Salat aus dünn aufgeschnittenem Grillschwein mit geröstetem Klebreis und roter Zwiebel, einer abenteuerlichen Mixtur aus Schärfe, animalisch knusprigen Aromen und Limettensäure, erzählt sehr unmittelbar von fremd köstlichen Galaxien. Roter Curry mit Ananas und Ente (so gut!) jagt einem Schauder des Glücks durch die Ganglien.

Dass alles bestenfalls lauwarm ist, scheint die Schärfe zu mildern und das Schillern der Aromen zu begünstigen. Es mag sein, dass einen das Eingesperrtsein und die Abgeschiedenheit von fremden Einflüssen das Eintauchen in solch exotische Geschmackstiefen ganz besonders euphorisch erleben lässt. Aber das kann wohl nur die nächste Bestellung klären. (Severin Corti, RONDO, 8.5.2020)

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