Hilde Neunteufel vom Tattoostudio "Vom Scheitel bis zur Sohle" hat dieses Mutter-Tattoo entworfen.

Illustration: Hilde Neunteufel

"Die Mutter ist eine der stärksten und ursprünglichsten Archetypen unter den Frauenrollen. Bei den Tarotkarten etwa stehen Muttersymbole für die personifizierte Kreativität. Schließlich kreiert die Mutter neues Leben. Als Kunst und Kultur schaffende Person ist man auch eine Art Mutter. In meinem Fall kreiere ich performative Konzepte. Dabei reproduziere ich mich selbst.

Florentina Holzinger (34) ist Choreografin und Performancekünsterlin. Sie lebt in Wien und Amsterdam. Ihre Inszenierungen kombinieren Ballett-Elemente mit Stunt, Akrobatik und Splatter.
Foto: Apollonia Bitzan

In meiner letzten Arbeit Tanz geht es um familiäre Lehrerinnen-Schülerinnen-Verhältnisse zwischen drei Generationen von Frauen. Schließlich ist Tanzkompanie in gewisser Weise eine alternative, zeitgenössische Art einer Familie. Zwischen den Performerinnen und mir besteht eine Mutter-Tochter-Beziehung. Das zeigt, dass man keine eigenen Kinder haben muss und trotzdem solche Rollengefüge erleben kann.

Leibliche Kinder sind derzeit kein Thema für mich, aber ich will nicht ausschließen, dass ich eines Tages meine Eier aus dem Gefrierfach hole. Ich nehme wahr, dass viele Tänzerinnen das Gefühl haben, sie müssen sich zwischen Kind und Karriere entscheiden. Doch in meinem Arbeitsumfeld gibt es viele Beispiele, die zeigen, dass auch beides geht.

Man muss halt vom Partner einfordern, die weiblich zugeschriebenen Betreuungsaufgaben mitzutragen und mit den Kindern gut kommunizieren. Die coolen, unkonventionellen Mütter, die bei meinen Stücken oft nackt auf der Bühne stehen, können ihrem Nachwuchs vermitteln, was da an Sinn und Bedeutung dahintersteht.

Sorgen einer Mutter

Meine Mutter ist Pharmazeutin, ein klassischer Care-Taker-Beruf. Meine Eltern waren anfangs nicht begeistert, als ich ihnen eröffnete, dass ich eine Tanzausbildung machen wollte. Sie unterstützten mein Studium in den Niederlanden nur unter der Bedingung, dass ich nebenher im Fernstudium auch noch Wirtschaft studiere.

Mit meinem Erfolg als Choreografin kam die Erkenntnis meiner Eltern, dass es einen Markt gibt für das, was ich mache. Ich glaube, wäre ich nicht ihre Tochter, würden sie nicht zu meinen Shows kommen. Meine Mutter sieht nicht gern Blut, welches ich zurzeit verstärkt in meiner Arbeit einsetze.

In meiner Familie wird der Muttertag nicht gefeiert. Generell haben solche Feste einen geringen Stellenwert bei uns. Aber seit meine Schwester Mutter geworden ist und Kinder Subjekt des Familiendiskurses werden, kehrt auch der Muttertag wieder ins Bewusstsein zurück. Scherzhaft gratuliere ich meiner Schwester zum Muttertag.

Meine Mutter würde sich bestimmt auch über eine derartige Nachricht freuen, ich bin da aber eher eine Rabentochter. Als Kind hab ich ihr schon immer irgendwelche Geschenke gebastelt. Dazu wird man in der Schule ja auch fast genötigt. Zum Nationalfeiertag muss man eine Flagge malen, zum Muttertag einen Topflappen häkeln. Mir kommt das alles ziemlich reaktionär vor.

Es gibt Stimmen, die fordern, den Muttertag durch den Weltfrauentag abzulösen. Dieser wiederum soll gewissen Bestrebungen nach in "Antipatriarchatstag" umbenannt werden, weil es ja nicht um Frauen per se geht, sondern um ein Infragestellen des vorherrschenden Systems.

Für das können auch Frauen verantwortlich sein – oder Männer das Opfer. Ich finde es gut, dass Bewusstsein geschaffen wird. Dass es aber überhaupt so einen Tag braucht, ist für mich ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt im gesellschaftlichen Machtgefälle." (Michael Steingruber, RONDO, 9.5.2020)