Dieses Mutter-Tattoo wurde von Jakob Grabner aus dem Tattoostudio "Vom Scheitel bis zur Sohle" entworfen.

Illustration: Jakob Grabner

"Über eine Freundin bin ich zufällig auf die Geschichten von Grazer Kindsmörderinnen gestoßen. Sie haben mich nicht mehr losgelassen, also habe ich recherchiert und ein eigenes Buch darüber gemacht. Ambivalente Mutterbilder beschäftigen mich schon länger. Ich habe versucht, sie aus unterschiedlichen Perspektiven zu behandeln. So ist Luise aus dem Roman Mutter brennt eine schizoide Person, die sich die Mutterrolle nur einbildet.

Sophie Reyer (35) ist Schriftstellerin, Autorin für Kindertheater und Komponistin. Ihr Roman "Mutter brennt" (Edition Keiper, 2019) stand auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2019.

Vielschichtig

Die Mutter ist aller Anfang. Sie ist das Material, aus dem wir schlüpfen. Deshalb ist das Mutterthema etwas, mit dem wir uns alle irgendwann auseinandersetzen. Man sollte aber sorgfältig mit der Beschreibung der Rollen umgehen, sie vielschichtig zeichnen und Fragen stellen wie: Kann eine Frau ihre Kinder umbringen? Bei der Recherche zu den Kindermorden bin ich auf viele Klischees gestoßen. Es erscheint uns natürlich, dass Mütter ihre Kinder von Anfang an lieben müssen.

Meine Mutter hat ihre Wirklichkeit in der Hand. Sie kann alles Häusliche, ist ein tolle Köchin, kann super putzen und wegräumen; alles schönmachen, auch sich selbst. Mein Vater ist dagegen der, der nicht einmal einen Knopf annähen kann. Er ist in der Familie für das Emotionale und für die Reflexion zuständig, nicht für das Reale.

Letztlich misst man ein gelungenes Leben auch daran, wie man seine Eltern ertragen kann. Menschen, die mit ihren Eltern brechen müssen, haben es vermutlich schwer. Deshalb erscheint es mir essenziell, dass es einem mit der eigenen Mutter gutgeht. Mir ist die Beziehung zu ihr jedenfalls sehr wichtig. Man muss ja nicht sein oder werden wie sie. Ich bin zum Beispiel überhaupt keine Hausfrau – und auch keine Mutter.

Andererseits glaube ich nicht, dass sich das Leben der Eltern immer linear auf das eigene auswirkt. Wenn irgendetwas schiefläuft, sagt man wahnsinnig gerne: Na klar, daran ist meine Mutter schuld. Es bleibt aber die Frage: Wie geht man mit dem um, was man von den Eltern mitbekommen hat? Ich selbst bin sehr behütet aufgewachsen. Meistens mag man aber genau das nicht, was man gerade hat. Also zog ich früh von zu Hause aus.

Jetzt wünsche ich mir nichts mehr, als meine Mutter zu sehen und sie zu drücken. Geht aber nicht. Sie ist schon sehr alt und gehört wohl zu denen, die man derzeit als Risikogruppe bezeichnet." (Sascha Aumüller, RONDO, 10.5.2020)