So ist es entschieden nicht, will Donald Trump im Wahlkampf klarmachen.

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Washington – Spricht Donald Trump von Joe Biden, bringt er neuerdings bei jeder Gelegenheit die China-Connection ins Spiel. Der "schläfrige Joe", so nennt er seinen 77 Jahre alten Rivalen, wäre schon deshalb ein schlechter Präsident, weil er die Regierenden in Peking mit Samthandschuhen anfassen würde, statt mit harten Bandagen zu kämpfen.

Tatsächlich steht Biden für einen Konsens, auf den sich beide großen Parteien, Demokraten wie Republikaner, über Jahrzehnte hinweg verständigt hatten. Demnach war Amerika gut beraten, sich mit dem Aufstieg Chinas zu arrangieren, das Land möglichst geschickt in das internationale Wirtschaftssystem einzubinden und statt auf Zollschranken auf freien Handel zu setzen. Biden, der 1972 erstmals zum Senator gewählt wurde, im selben Jahr, in dem Richard Nixon mit einem Überraschungsbesuch in der Volksrepublik die Öffnung einleitete, hat sämtliche Phasen der Annäherung in der ersten oder zumindest zweiten Reihe der Politik miterlebt. Bei Trump wird daraus: "Joe ist ein wehrloses Opfer, er ist der Wunschkandidat der Chinesen." Oder: "Ich bin hart, und der schläfrige Joe Biden ist weich, was China angeht."

Es ist nicht mehr die Wirtschaft

Noch vor zwei Monaten schien klar, mit welchem Konzept der Amtsinhaber ins Duell mit seinem Herausforderer ziehen würde. Im Kern hielt er sich an das, was Bill Clintons Stratege James Carville einst so markant zusammenfasste: "It's the economy, stupid!" Mochten sich schwankende Wähler der Mitte auch reiben an seiner Art, in hässlichen Tweets jeden niederzumachen, der ihm zu widersprechen wagt, letzten Endes würde die gute Konjunktur viele dazu bewegen, ihn für weitere vier Jahre zu wählen.

Mit der Pandemie liegt das alles in Trümmern. Mehr als 26 Millionen Amerikaner haben Arbeitslosenhilfe beantragt. Kevin Hassett, einer der Wirtschaftsberater des Weißen Hauses, rechnet für das zweite Quartal mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 20 bis 30 Prozent und spricht vom schwersten Einbruch seit der Großen Depression der 1930er-Jahre.

Der Präsident im Abwärtssog

Trumps Schuld ist das nicht, doch die Mischung aus Inkompetenz, Selbstinszenierung und Schuldzuweisungen, mit der er die Krise managt, hat ihm zweifellos geschadet. Profitierte er anfangs noch davon, dass Amerikaner in Zeiten akuter Verunsicherung dazu neigen, dem Chef der Exekutive den Rücken zu stärken, so hat sich der Effekt inzwischen abgenutzt.

In den Rust-Belt-Staaten, in denen sich womöglich wie schon 2016 die Wahl entscheidet, in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin, liegt er in den Umfragen hinter seinem Kontrahenten. Allerdings: Im April vor vier Jahren hatten die Demoskopen die spätere Verliererin Hillary Clinton dort mit noch deutlicherem Vorsprung vorn gesehen, als es heute bei Biden der Fall ist.

Blitzeschnelle langsam um die runde Ecke

Im Abwärtssog konzentriert sich Trump darauf, seinen Gegner in die Nähe Chinas zu rücken. In die Nähe des Landes, von dem er Schadenersatz in "sehr substanzieller Höhe" verlangt, weil es die Verbreitung des Virus nicht von Anfang an gestoppt habe. Seinen Außenminister Mike Pompeo ließ er auf Fox News von "massiven Beweisen" dafür sprechen, dass das Virus aus einem Wuhaner Labor stamme, nachdem dieser am gleichen Tag auch noch gesagt hatte, man wisse nicht, woher Sars-CoV-2 komme. Im gleichen Interview sagte Pompeo auch, "die besten Experten scheinen bisher zu glauben, dass es von Menschen erzeugt wurde", um einen Moment später der Aussage "völlig zuzustimmen", dass dies nicht so sei.

Den Frust der Wähler in diese Richtung zu lenken, aus dem Votum im November ein Referendum über China zu machen, sei "vielleicht seine einzige Chance, über den Jänner 2021 hinaus im Amt zu bleiben", doziert Walter Russell Mead, unter konservativen Akademikern einer der profiliertesten Außenpolitik-Experten.

Auch Hunter Biden ist wieder da

Um sich für die zu erwartende Schlammschlacht zu rüsten, reitet Trump einmal mehr auf den Geschäftsbeziehungen Hunter Bidens, des zweitältesten Sohns seines Widersachers, herum. Der saß nicht nur im Aufsichtsrat des ukrainischen Erdgaskonzerns Burisma, er war auch in China aktiv. Im Juni 2009 – sein Vater war fünf Monate zuvor als Vizepräsident vereidigt worden – gründete er ein Beratungsunternehmen, das sich den Wachstumsmärkten Asiens widmete. Einer seiner Partner, ein Banker namens Devon Archer, rief 2013 gemeinsam mit dem Chinesen Jonathan Li den Investmentfonds Bohai Harvest RST ins Leben. Hunter Biden bekam einen Sitz im Aufsichtsrat. Kurz BHR genannt, setzte sich die Gesellschaft das Ziel, mit chinesischem Kapital jenseits der Grenzen Chinas zu arbeiten. Man strebe an, insgesamt 1,5 Milliarden Dollar zu investieren, hieß es damals.

Bei Trump wird daraus: "Bidens Sohn hat sich anderthalb Milliarden Dollar von China geben lassen." Er selbst allerdings lieh sich vor acht Jahren 211 Millionen Dollar von einer chinesischen Staatsbank, um seinen 30-Prozent-Anteil an einem Wolkenkratzer in Manhattan zu finanzieren. 2022 läuft der Kredit aus; sitzt Trump dann noch im Oval Office, hat Peking eventuell einen Hebel in der Hand. Es ist ein Kapitel, das seinem Rivalen die Gelegenheit zum Kontern bietet – falls der Umgang mit China tatsächlich zentrales Wahlkampfthema wird. (Frank Herrmann, 6.5.2020)