Peter Filzmaier sieht für die SPÖ mittelfristig eine gute Themenlandschaft mit Potenzial.

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STANDARD: 71 Prozent Zustimmung für Pamela Rendi-Wagner als SPÖ-Chefin bei der von ihr initiierten Mitgliederbefragung – ist jetzt alles gut für sie und die SPÖ? Was bedeuten diese 71 Prozent?

Filzmaier: Damit bleibt sie Parteichefin, weil es für die Kritiker bei Über-zwei-Drittel-Mehrheit sehr schwierig wird, sich gegen sie zu stellen, noch dazu, weil sie ja keinerlei personelle Alternative haben oder niemanden, der offen bereit ist, das Amt der Parteichefin anzustreben, oder auch halbwegs mehrheitsfähig wäre, und vor allem auch aufgrund der für eine Mitgliederbefragung guten Wahlbeteiligung.

STANDARD: 41 Prozent Beteiligung sind also ein guter Wert? Das ist nicht einmal die Hälfte der SPÖ-Mitglieder ...

Filzmaier: Ja, das ist im SPÖ-innerparteilichen Vergleich ein sehr tauglicher Wert. Denn die Parteibefragung zum Ceta-Vertrag hatte sieben Prozent Beteiligung, zum Zukunftsprogramm 2018 waren es 22 Prozent. Allerdings, wenn man nach Deutschland schaut, da hatte die SPD 2018 zum Koalitionsvertrag 78 Prozent Beteiligung, und 2013 nahmen 76 Prozent der SPD-Mitglieder teil. Natürlich kann man jetzt sagen, die Mehrheit hat nichts gesagt, aber das ist genauso unseriös, wie zu sagen, wer schweigt, stimmt zu. Von denen weiß man es einfach nicht. Generell gilt, wer eine interne Befragung macht, weiß, wenn's an die Hälfte heranreicht, dann ist das schon eine Größe, die man aus Sicht der Kritiker nicht abtun kann. Noch dazu, das ist wichtig, wo ja Teilorganisationen der SPÖ und deren Chefs, oft nicht niederrangige, mehr oder weniger unverblümt gesagt haben, dafür mobilisieren wir sicher nicht. Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis für Rendi-Wagner sicher ein guter Wert. Es ist jedenfalls ein Ergebnis für Rendi-Wagner, wo sie mittelfristig bleibt – wenn auch mit zwei Haken.

STANDARD: Welche Haken hat das Ergebnis oder die Befragung?

Filzmaier: Wir wissen jetzt, dass Rendi-Wagner eine taugliche Basis bei SPÖ-Mitgliedern hat. Allerdings, das sind rund 65.000, die mitgestimmt haben. SPÖ-Wählerinnen und -Wähler gab es bei der letzten Nationalratswahl aber knapp 1,4 Millionen. Dazu noch rund 450.000 Stimmen, die die SPÖ an andere Parteien verloren hat. Wenn man die Wechselwähler dazurechnet, geht's da aufgerundet um knapp zwei Millionen. Dazu kommt, dass die Mitglieder zum Beispiel überdurchschnittlich alt oder Pensionisten sind und so weiter. Und der zweite Haken ist: Damit ist Rendi-Wagner zwar als Person mit tauglicher Basis mittelfristig abgesichert. Aber ist damit ein Inhaltsstreit beendet? Spannend ist zum Beispiel, ob es deutliche Unterschiede gibt zwischen denen, die die Arbeitszeit als wichtigstes Thema sehen, das Thema der Gewerkschaft, und jenen, die den Mindestlohn für besonders wichtig halten, also die Doskozil-Linie. Beides ist wichtig, nur kommt man in der Kommunikation an einer Prioritätensetzung nicht vorbei. Sollte es da große Differenzen geben bei den Themenwünschen der Mitglieder, hat man da natürlich die nächste Debatte, die aber unmittelbar jetzt keine Führungsdebatte sein wird.

STANDARD: Welche Botschaft sendet das Ergebnis an die Rendi-Wagner-skeptischen Teile der Partei – die Wiener unter Michael Ludwig, Hans Peter Doskozil im Burgenland, aber auch Niederösterreich mit Franz Schnabl? Die Chefin ist jetzt mal entschieden, sie sollen mitziehen?

Filzmaier: Na ja, als Langzeitverpflichtung würde ich das für eine zu optimistische Überinterpretation halten. Es sagt das, was sie bis zur Wien-Wahl sowieso wollen: vorübergehende Beruhigung. Weil die SPÖ Wien ja nicht bereit ist, jemand anderen zu nominieren, der die Bundespartei übernimmt, will sie ja genauso Beruhigung. Doskozil freut sich immer noch über seine gewonnene Wahl und versucht seinen Amtsinhaberbonus aufzubauen, hat aber auch kein Interesse, unmittelbar einen Wechsel zu machen. Aber selbst wenn jemand heimlich Ambitionen hat, wird diese Person sagen: Ich warte die Wien-Wahl ab, denn wer weiß, wie es ausgeht ...

STANDARD: Und was kann und soll Pamela Rendi-Wagner mit diesem Ergebnis jetzt machen? Es ist Corona-Krise, die hilft eher der Regierung ...

Filzmaier: Sie soll sich heute freuen, und dann darf für sie die Personaldebatte auch kein Thema der Freude mehr sein. Natürlich auch für die Kritiker nicht. Denn an sich haben wir ja mittelfristig eine Stimmungslage, die der SPÖ in Opposition nutzen kann. Kurzfristig hat man kaum eine Chance, an Beliebtheit zu gewinnen, denn gegen dieses Amtsinhaberbonus-Phänomen kann man wenig machen. Da gilt "rallying around the flag": In Krisensituationen versammeln sich Menschen eher hinter dem Amtsinhaber. Nur, mittelfristig stehen natürlich Themen wie Arbeitsplatz, weiterhin Gesundheit und die Sozialleistungen des Staates im Mittelpunkt – und wenn die SPÖ aus diesen Themen nichts macht, dann würde sie sich selbst abschaffen. Mittelfristig hat sie da schon Potenzial. Darum muss die Partei jetzt so schnell wie möglich auf diese für die SPÖ mittelfristig chancenreiche Themenlandschaft umschwenken und sich diese Themen nicht wegnehmen lassen. (Lisa Nimmervoll, 6.5.2020)