Zu den originellsten Passagen der an sich schwer erträglichen Siebenstundenfassung des "Ibiza-Videos" gehört eine Erzählung von Johann Gudenus über spezielle Drogenangebote und prominente -konsumenten in den Lokalen des Gastronomen Martin Ho, worauf H.-C. Strache mahnend meint: "So, deswegen bin ich mal froh, dass du in diesem Scheißclub nicht mehr bist."

Die von Strache hier so abschätzig beurteilte Lokalität war dieser Tage tatsächlich Schauplatz einer erfolgreichen Drogenrazzia. Martin Ho verblüffte danach mit der Münchhausiade, er hätte von den Geschehnissen in seinem Haus nichts gewusst, da er Freitagabend um 20 Uhr schon geschlafen habe. Somit dürfte sich für die Gäste der Party eine nahezu biblische Prophezeiung erfüllt haben: Den Seinen gibt’s der Hausherr im Schlaf.

Die Novomatic-Zentrale in Gumpoldskirchen.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Aber auch ein anderer Ibiza-Befund Straches wird derzeit von der Realität bestätigt, nämlich "Novomatic zahlt an alle". Laut einer bei einer Hausdurchsuchung gefundenen Liste hat Novomatic-Besitzer Johann Graf in den vergangenen Jahren 29,75 Millionen Euro verschenkt. Einfach so.

Not und Kriminalität

Das klingt aufs Erste gut nachvollziehbar. Automatenspielsucht erzeugt Not, Krankheit, Armut, Kriminalität und Gewalt. Existenzen werden zerstört, Familien ins Elend gestürzt. Wenn man also damit, so wie Graf, ein Vermögen von rund neun Milliarden Euro gemacht hat, kann es schon passieren, dass man die im Alltag schwer zu vermeidende Konfrontation mit Spiegeln nicht mehr erträgt und der Wunsch nach Kompensation durch partielle Vermögensverschenkung entsteht. Nicht ganz so nachvollziehbar wirkt dann aber die Liste der Geschenkempfänger im Detail. Da wurde zum Beispiel der ehemalige Novomatic-Konzernchef Harald Neumann gleich dreimal großzügig bedacht, obwohl dessen reguläre Gage von angeblich vier Millionen Euro pro Jahr zuvor nicht unbedingt laut nach weiterer Unterstützung geschrien hat. Vielleicht noch bemerkenswerter ein anderer Name auf der Liste: Tina Liebich-Oswald, Nichte von Johann Graf, verheiratet mit dem Novomatic-Aufsichtsratsvorsitzenden Bernd Oswald und beruflich in höchst verantwortungsvoller Position. Die laut Liste vierfach Beschenkte ist Referentin im Kabinett von Innenminister Karl Nehammer. Sie befindet sich also dort, wo gerade gegen Herrn Graf und die Novomatic ermittelt wird.

Quasi als Draufgabe wurde in der Vorwoche noch bekannt, dass 2017 eine parlamentarische Anfrage zum Thema Glücksspiel an den Finanzminister zur Beantwortung vom Ministerium gleich an Novomatic weitergeleitet wurde. Das ist so, als würde der Gesundheitsminister eine Anfrage zum Thema "Wie ungesund sind Energy-Drinks?" zur Beantwortung direkt an Red Bull schicken. Dass Finanzminister Hartwig Löger dann später Anfragebeantwortungen praktisch wortgleich aus Novomatic-Presseaussendungen abschreiben ließ, wundert da keinen mehr und kann als Interpretation des Mottos "Mehr privat, weniger Staat" gedeutet werden.

Und so dürfen wir alle uns irgendwie als Schenker und Beschenkte fühlen: Letzte Zweifel an der These, wonach unser Staat in langsam beunruhigender Form von einem Glücksspielkonzern infiltriert ist, können wir uns jetzt wohl schenken. (Florian Scheuba, 6.5.2020)