US-Präsident Donald Trump drängt zu Normalität.

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Wenn wir ans Telefon gehen, haben wir auch geöffnet", sagt die Frau, die im "Salon à la Mode" den Hörer abnimmt. So banal die Feststellung ist, es klingt auch trotzig. Eigentlich müsste der Friseursalon im Norden von Dallas geschlossen sein, so wie alle anderen in Texas auch. Shelley Luther, die Besitzerin, hält sich indes nicht daran. Seit Ende April ignoriert sie das Verbot, nachdem sie sich fünf Wochen lang daran gehalten hatte. Deshalb sitzt sie vor einem Richter namens Eric Moyé, mit Maske vor Mund und Nase, zwei Meter neben ihrem Anwalt, und wird nach kurzer Verhandlung zu sieben Tagen Haft verurteilt.

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus wurden in den USA weitreichende Beschränkungen verhängt. Jetzt, da man über die Rückkehr zur Normalität streitet, spaltet sich die Republik, geografisch wie politisch. Während Staaten im besonders hart getroffenen Nordosten – New York, New Jersey, Massachusetts – allenfalls kleine Schritte wagen, prescht man im Süden schneller voran. Während Staaten, in denen Gouverneure der Demokratischen Partei regieren, in aller Regel vorsichtig agieren, drücken diejenigen, deren Gouverneure der Republikanischen Partei angehören, aufs Tempo. Es gibt Ausnahmen, doch grob ist dies das Muster.

Warnung des Experten

Anthony Fauci, Amerikas angesehenster Epidemiologe und Berater von US-Präsident Donald Trump, sprach kürzlich bei CNN von der richtigen Balance, die es zu finden gelte. Es sei eine "sehr schwierige Wahl", vor der man jetzt stehe. "Wie viel Leid können Sie akzeptieren, um zu irgendeiner Form von Normalität zurückzukehren?" Wenn man es mit einem sehr aktiven Virus zu tun habe und man das Gebot des "Social Distancing" nicht mehr ernst nehme, lade man förmlich zu einem Rückschlag ein, warnte er. Jeremy Faust, ein Arzt, der in Boston Covid-19-Kranke betreut, formulierte es in einem Interview mit dem Radiosender NPR noch eindringlicher. Es sei zu früh für eine Öffnung, mahnte er. Zwar sei es gelungen, die zwischenzeitlich rasant gestiegene Kurve der Ansteckungen abzuflachen, aber das Ziel – nur noch wenige Neuinfektionen – habe man noch nicht erreicht.

Laut einer Umfrage der University of Maryland teilt eine Mehrheit der Amerikaner die Bedenken ihrer medizinischen Experten. 74 Prozent sind dagegen, den Besuch eines Lokals schon jetzt wieder zu erlauben. 78 Prozent würden sich auch dann nicht in eine Gaststätte setzen, wenn die Restriktionen aufgehoben wären.

Vergleich mit Krieg

Den Kontrapunkt setzen konservative Politiker wie Chris Christie. Amerika, sagt er, habe seine jungen Männer im Zweiten Weltkrieg nach Europa und in den Pazifik geschickt, wissend, dass viele nicht lebend zurückkehren würden. "Wir haben entschieden, dieses Opfer zu bringen, weil es darum ging, die amerikanische Lebensart zu verteidigen. In ganz ähnlicher Weise müssen wir heute erneut für den ‚American Way of Life‘ einstehen." (Frank Herrmann, 6.5.2020)