Bier begleitet den Menschen schon lange. Es spielte quer durch die Kulturen eine große rituelle und soziale Rolle – und nicht zuletzt auch als wichtiges Lebensmittel. In archäologischen Funden ist es aber schwierig, Bier nachzuweisen. Wiener Forscher haben nun eine neue Methode zum Beleg malzbasierter Lebensmittel entwickelt und damit Hinweise auf jungsteinzeitliche Bierproduktion in Mitteleuropa gefunden, berichten sie im Fachjournal "Plos One".

Verkohlter Pflanzenüberrest aus Hornstaad-Hörnle in Deutschland.
Foto: Niki Gail/ÖAW

Die Geschichte des Biers reicht bis zur Entstehung der Landwirtschaft in der Jungsteinzeit zurück. Israelische Archäologen etwa haben vor zwei Jahren möglicherweise die älteste "Brauerei" der Welt bei Ausgrabungen in der Höhle von Rakefet südlich von Haifa entdeckt. In der rund 13.000 Jahre alten Produktionsstätte soll ein bierähnliches Getränk produziert worden sein.

Komplizierter Nachweis

Es ist allerdings nicht einfach, Spuren alkoholischer Getränke in archäologischen Funden zu identifizieren. "Der Nachweis ist oft nur indirekt möglich", erklärte Andreas G. Heiss vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Zwar habe man bereits uralte Spuren von gemälztem Getreide im urgeschichtlichen Ägypten nachgewiesen, doch diese hätten sich nur in getrocknetem Material erhalten, "außerhalb des Wüstenklimas findet man so etwas nicht".

Ein Forscherteam um den österreichischen Archäobotaniker hat nun eine Diagnosemethode entwickelt, mit der sich malzbasierte Lebensmittel auch in vermahlenem oder zerstampftem und anschließend verkohltem Material nachweisen lassen. Der Großteil der archäologischen Pflanzenfunde ist in diesem verkohlten Zustand erhalten, der Pflanzen- und Speisereste für viele Jahrhunderte konservieren kann.

Zelluläre Zeugnisse

Bier ist relativ einfach herzustellen, im Prinzip geht es nur darum, Stärke in Alkohol umzuwandeln. Ein entscheidender Schritt beim Bierbrauen ist das dem Maischen und der Vergärung vorangehende Mälzen. Dabei wird Getreide – heute meist Gerste – zum Keimen gebracht und dann gedarrt. Beim Keimen werden die im Mehlkörper des Getreidekorns enthaltene Stärke und die Zellulose der Zellwände abgebaut und in Zucker umgewandelt, um dem Keimling Energie zum Wachsen zu liefern.

Bei diesen Vorgängen verändern sich Strukturen im mikroskopischen Maßstab. So werden etwa die Zellwände der sogenannten Aleuron-Schicht, die den gesamten Mehlkörper umschließt und eine wichtige Rolle bei der Keimung spielt, immer dünner. Dennoch sind diese Zellwände so stabil, dass sie selbst die Verkohlung überdauern, und ihre Strukturänderung lässt sich auch nach Jahrtausenden im Boden nachweisen.

Ägyptische Parallelen

Für die Entwicklung der Methode haben Heiss und sein Team unterschiedlich lang gekeimtes Gerstenmalz künstlich verkohlt und anschließend mit verkohlten Getreideerzeugnissen aus prähistorischen Fundorten verglichen. Einige zeigten unter dem Rasterelektronenmikroskop die gleiche Verdünnung der Aleuron-Zellwand.

Das galt für die verbrannten Krusten in tönernen Braukesseln, die man in den altägyptischen Brauereien von Hierakonpolis und Tell el-Farcha aus dem vierten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung gefunden hat, ebenso wie für verkohltes Material aus jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlungen in Mitteleuropa, die ebenfalls aus dieser Zeit stammten. Das ägyptische Material stammt mit Sicherheit aus der Bierherstellung, das wird durch zahlreiche weitere Funde im Kontext belegt.

Aufgegossenes Gerstenmalz

Es sei nun aber auch klar, dass die Speisekrusten aus den Grabungen am Zürichsee (Schweiz) und bisher als "brotartige Objekte" bezeichnete Funde aus den am Bodensee in Deutschland gelegenen Siedlungen Sipplingen-Osthafen und Hornstaad-Hörnle malzhaltig waren. In den Funden aus Hornstaad-Hörnle zeigte sich, dass dort stark zerkleinertes Gerstenmalz zu einer Flüssigkeit aufgegossen worden war, die bei einem Brand eindickte und verkohlte.

"Ob hier ein alkoholfreier Malztrunk hätte zubereitet werden sollen oder ob das Ziel doch das Vergären zu einem steinzeitlichen 'Bodenseebräu' gewesen war, lässt sich heute leider nicht mehr eindeutig ermitteln", so Heiss. Er hat die Arbeit im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderten Projekts "Plantcult" durchgeführt.

Der Archäobotaniker freut sich jedenfalls, mit der Arbeit nicht nur einen allgemeinen Marker für den Mälzprozess gefunden zu haben. Mehr oder weniger zufällig haben die Wissenschafter in den neolithischen Seeufersiedlungen aus der Zeit von etwa 3900 bis 3100 vor unserer Zeitrechnung die ältesten Malzspuren in Mitteleuropa nachgewiesen. Die Funde von Hornstaad-Hörnle weisen möglicherweise auf die früheste bekannte Bierproduktion in Mitteleuropa hin. (red, APA, 8.5.2020)