Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel steht – einmal mehr – unter Druck: Immer mehr Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer preschen mit eigenen Wegen der Bekämpfung der Corona-Pandemie vor.

Foto: AFP / Hannibal Hanschke

Jens Spahn (CDU), der deutsche Gesundheitsminister, hatte es noch mal mit einer Mahnung versucht. "Ein zusammenhangloser Flickenteppich schafft Verwirrung", sagte er am Mittwochvormittag. Doch das wollten viele in jener Runde, die sich dann zu einer Telefonkonferenz traf, nicht so gerne hören.

Zur Schalte hatte wieder einmal die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gebeten, ihre "Gäste" waren die 16 Ministerpräsidenten der Länder. Immer lauter und drängender waren in den vergangenen Tagen die Rufe in Deutschland geworden. Tenor: Die Schutzmaßnahmen müssten auch dort jetzt endlich gelockert werden. Und nicht wenige blickten dabei sehnsuchtsvoll nach Österreich, auch wenn sie wissen, dass das kleine Nachbarland in der Entwicklung vorne liegt.

Gemeinsame Eckpunkte

Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Bayern hatten es gar nicht erwarten können und schon Neuerungen vor der Telefonschalte angekündigt. Bei dieser einigten sich die Beteiligten aber dann doch auf einige gemeinsame Eckpunkte: Die Kontaktbeschränkungen werden grundsätzlich bis zum 5. Juni verlängert.

Eingeführt worden waren sie am 22. März, seither gilt, dass man sich in der Öffentlichkeit nur alleine, mit seiner Familie oder mit einer einzigen nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Person aufhalten darf. Nun soll es aber Lockerungen geben: "Angesichts der niedrigen Infektionszahlen", heißt es in dem Beschluss, dürften sich auch Angehörige zweier Haushalte treffen – also zwei Familien, zwei Paare oder die Mitglieder aus zwei Wohngemeinschaften.

"Immer noch am Anfang"

"Wir haben sehr lange noch mal diskutiert", erklärte Merkel nach der Konferenz – ein deutlicher Hinweis auf diverse Meinungsverschiedenheiten. Sie erklärte: "Wir können sagen, dass wir die allererste Phase der Pandemie hinter uns haben."

"Wir haben das Ziel, die Verbreitung des Virus einzudämmen, erreicht", betonte die Kanzlerin. Mittlerweile liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen im dreistelligen Bereich. Doch Merkel unterstrich auch: "Wir sind immer noch am Anfang." Deshalb bleibe es auch beim 1,5-Meter-Abstand im Freien und beim Tragen von Masken in Geschäften wie öffentlichen Verkehrsmitteln.

Nicht mehr einheitlich geregelt wird die Öffnung der Gastronomie und der Hotellerie, das werden die Länder in Eigenverantwortung tun. "Die Länder nehmen eine sehr, sehr große Verantwortung auf sich", sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher nach der Konferenz. Und sein bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU) meinte: "Wir öffnen, aber nicht überstürzt." Die Vorsorge müsse bleiben, man dürfe "auf keinen Fall nachlassen".

Merkels Plan

Da es nun, wie Merkel es formulierte, "eine große Vielfalt in bestimmten Einzelregelungen gibt", sei für sie eines "maßgeblich und wichtig", nämlich: "Wenn wir regionale Unterschiede haben, müssen wir einen Notfallmechanismus haben."

Und dieser sieht so aus: Wenn in einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Menschen auftreten, dann wird es neue Kontaktbeschränkungen geben. "Ab einer gewissen Relevanz muss auf eine regionale Dynamik mit hohen Neuinfektionszahlen und schnellem Anstieg der Infektionsrate sofort vor Ort mit neuerlichen Beschränkungen reagiert werden", heißt es in dem Papier. Derzeit, so Merkel, sei dies nur in einem Landkreis der Fall.

Mitte Mai wird außerdem die deutsche Fußball-Bundesliga ihre Saison mit Geisterspielen wiederaufnehmen. (Birgit Baumann aus Berlin, 6.5.2020)