Massive Einbrüche im Werbegeschäft verzeichnet der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1.

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Unterföhring – Die Menschen schauen in der Coronakrise mehr Fernsehen, aber die Wirtschaft bucht weniger Werbung – das bekommt der deutsche Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 nun deutlich zu spüren. Im April brachen die Einnahmen im Werbefernsehen um 40 Prozent ein, wie der neue Vorstandssprecher Rainer Beaujean am Donnerstag sagte.

Bereits im ersten Quartal war der Gewinn um 75 Prozent auf 31 Millionen Euro gefallen. Eine Prognose für das laufende zweite Quartal oder das Gesamtjahr sei nicht möglich, sagte Beaujean.

Um das Unternehmen "sturmfest aufzustellen", werden die Investitionen in das Programm jetzt nicht erhöht, sondern um 50 Mio. auf 980 Mio. Euro gekürzt. Produktionen werden verschoben. 500 Mitarbeiter sind bereits in Kurzarbeit, weitere könnten folgen. ProSiebenSat.1 streicht die Dividende, das spart 192 Mio. Euro, wie der stellvertretende Finanzvorstand Ralf Gierig sagte. Außerdem prüfe man den Verkauf von nicht zum Kerngeschäft Unterhaltung gehörenden Beteiligungen und werde "zum optimalen Zeitpunkt" handeln.

Keine Staatskredite

Staatskredite seien gegenwärtig kein Thema. Die Nettoverschuldung überstieg zwar mit 2,3 Mrd. Euro die selbst gesetzte Marke. Aber ProSiebenSat.1 habe Ende März fast 900 Mio. Euro in der Kassa gehabt. Der Kreditrahmen von 750 Mio. Euro sei erst mit 350 Mio. Euro in Anspruch genommen worden, erklärte der Vorstand.

Beaujean hat nach dem Abgang von Konzernchef Max Conze Ende März die Führung übernommen. Die Reichweite der Fernsehsender sei in der Coronakrise gestiegen, vor allem bei jungen Erwachsenen, die Sehdauer habe um 16 Prozent zugelegt, sagte er. Die Streaming-Plattform Joyn werde deutlich mehr aufgerufen. Auch bei der Partnervermittlung Parship steige die Nachfrage.

Auf der anderen Seite aber buchten nicht nur Reiseveranstalter weniger Werbung, "auch die Lebensmittelindustrie hat die Ausgaben für TV-Werbung um 6 Prozent gesenkt". Und an der TV-Werbung hängt weiterhin der Löwenanteil des Konzerngewinns. Zudem wurden auch Online-Plattformen wie Billiger-Mietwagen.de oder der Abenteuer-Anbieter Jochen Schweizer von der Krise erwischt.

Großaktionär Mediaset

Mit Spannung erwartet wird, wie sich der Großaktionär Mediaset vor der Hauptversammlung am 10. Juni positioniert. Der italienische Konzern hält nur knapp zehn Prozent der ProSiebenSat.1-Aktien direkt, kann aber über Derivate sofort auf fast 25 Prozent aufstocken. Um die Stimmrechte auszuüben, müsste er diese Aktien aber kaufen oder zumindest ausleihen. Bis jetzt gebe es regelmäßigen Kontakt und einen ganz normalen Austausch mit Mediaset, aber "keine strategischen Gespräche", sagte Beaujean. (APA/dpa, 7.5.2020)